Hallo in die Runde!
Auf Wunsch von vielen Interessierten berichte ich jetzt einmal von meinem Kanada-Urlaub.
Natürlich sind wir herum gefahren und haben ganz viel Natur, Berge, Bären.....gesehen. Aber das Highlight des Urlaubs war für mich der Besuch bei einem Muli-Züchter in der Nähe von Kamloops im Süden von British Columbia. Bereits im Vorfeld hatte ich Kontakt aufgenommen mit Tom und seiner Frau Mavis - dank Internet ist ja fast alles möglich. Tom war mir aufgefallen, weil er etliche Mulis zu verkaufen hat: http://www.equinenow.com/farm-id-30415
Wir haben die Farm auf Anhieb gefunden, denn die Beschreibung von Mavis am Telefon war sehr gut und ich hatte sämtliche Verkaufsbilder genauestens studiert, so das ich die Scheune sofort erkannte. Eine schön gelegene Farm auf einem Hügel mit phänomenaler Aussicht. Die Pforte unten an der Straße war geschlossen, aber Mavis hatte gesagt, wir könnten rauf fahren.....gesagt, getan, aber es war schon sehr abenteuerlich, mit dem großen Wohnmobil auf die Ranch zu fahren!
Nach dem üblichen Begrüßungs-Procedere - unglaublich freundlich! - wurden wir über sämtliche Paddocks und Weiden geführt und alle dort vorhandenen Mulis wurden uns persönlich vorgestellt. Meist gab es zu jedem Muli die gesamte Lebensgeschichte gratis dazu.....
Größenmäßig war alles vorhanden, von knapp 1 Meter Minimuli bis hin zu meinem absoluten Favoriten: http://www.equinenow.com/horse-ad-243389 - Jonny Cash hätte ich am liebsten sofort eingepackt, aber er hätte nicht in mein Handgepäck gepasst. Als Dreijähriger schon ein Stockmaß von gut und gern 1,65 m!
Alle Mulis waren freundlich und zugänglich, einige etwas reserviert, aber nicht ängstlich. Die Haltung war typisch für die dortigen Verhältnisse: entweder riesengroße Sandpaddocks, oder noch größere Weiden, und das ganze reichlich hügelig. Wir Flachlandtiroler sind schon ordentlich ins Pusten gekommen, aber zum Glück sind wir einige Weiden auch mit dem Pick up angefahren: Einfach hinten mit rauf auf die Ladefläche und ordentlich festhalten, denn die Piste war ziemlich holperig!
Für uns pingelige Deutsche war die Einzäunung gewöhnungsbedürftig, und auf den Paddocks lagen teilweise Dinge herum, die hierzulande den Tierschutzverein auf den Plan gerufen hätten: Glasscherben, zerbeulte Metalltonnen oder alte Gartenmöbel.... Aber so ist das halt, andere Länder, andere Sitten.
Die Mulis waren gut in Schuss, und bis auf ein Muli mit einer kleinen Verletzung an der Schulter hatte ich nichts zu beanstanden. Selbst die Hufe waren in Ordnung. Erschrocken war ich allerdings von der Tradition, den Mulis Kerben in die Ohren zu schneiden, um sie damit als Eigentum zu markieren. Das kannte ich bisher nur aus Island (und "durfte" dort vor vielen Jahren mal erleben, wie es zugeht, wenn den jungen Pferden Spalten in die Ohren geschnitten werden - oder ganze Stücke rausgeschnitzt werden). Das ist nicht lustig!
Eigentlich sollte man dann ja erwarten, das sich die Mulis fortan bis an ihr Lebensende nicht mehr an den Ohren anfassen lassen, aber so war es erstaunlicherweise nicht.
Tom fragte dann, ob wir (meine Tochter und ich) sein Ranchmuli reiten möchten. Wir haben uns anstandshalber ein bisschen geziert, aber Tom hatte wohl sofort das Glitzern in unseren Augen gesehen. Jedenfalls wurden wir mit korrekten Stiefeln (Wanderschuhe sind bei ihm tabu, was ja auch gut ist) und selbstgemachten, sehr robusten Chaps ausgestattet, und eh wir's uns versahen, putzten wir an einer braunen, ziemlich aufgeregten Mulistute herum.
Ausgestattet wurde sie mit einem reichlich alten, aber gut gepflegten Westernsattel mit Vollausstattung: Packtaschen permanent dran (für 1. Hilfe, wie Tom sagte), Futteral für's Gewehr rechts und beeindruckender Machete links. Bevor Tom aufstieg, um uns seine Reitkünste zu präsentieren, musste seine Frau Mavis noch den Revolver holen - äh?
Im Round Pen wurden uns dann die 4 Gänge gezeigt, die die Stute beherrscht: als Tochter einer Tennessee-Walking-Stute kann sie natürlich nicht nur Schritt, Trab und Galopp, sondern auch tölten (bzw. walken). Beeindruckt hat mich die Wendigkeit des Mulis - und die Schnelligkeit. Und dann wurde auch klar, warum Tom den Revolver brauchte, denn er demonstrierte uns die absolute Schussfestigkeit der Stute. Er sagte, er wäre manchmal tagelang allein in der Wildnis allein unterwegs und hätte schon häufig Begegnungen mit Bären gehabt, da wäre es überlebenswichtig, das das Reittier schussfest wäre. Klasse, das hatte ich bisher nur bei den Polizeipferden gesehen!
Und dann kam die Stunde der Wahrheit! Ich hatte ja gesehen, das Tom zum Aufsteigen den Zaun des Round Pen benutzt hatte, also machte ich es genau so. Die ersten Meter waren schwierig - es ist halt immer erstmal ein Ausprobieren, wenn man auf einem fremden Tier sitzt. Und die Anweisungen von Tom kamen eher spärlich: Ich solle halt mal reiten, auch mal flott bitteschön! Aha.
Nach einigen Runden ging es dann auch ganz gut. Ich war baff erstaunt über die Feinfühligkeit der Stute - sie war übrigens mit einem mechanischen Hackamore gezäumt und reagierte ziemlich genervt auf zu heftige Zügelbewegungen. Also schön die Hände ruhig und die Zügel lang!
Meine Tochter versuchte dann im Anschluss auch noch mal ihr Glück, war aber nicht ganz so zufrieden mit ihren Reitkünsten. Ich vermute mal, die Stute war einfach schon zu sehr genervt von mir, als das sie gutwillig noch einen weiteren fremden Reiter erdulden wollte.
Wir haben beide keinen Walk hervorzaubern können, leider. Aber auch so war es ein richtig tolles Erlebnis! Ich rechne es Tom sehr hoch an, das er zwei dahergelaufene Touristen (die ja sonst was behaupten können!) auf sein Ranchmuli gelassen hat. Ich für meinen Teil habe mich sofort sicher und zuhause auf dem Muli gefühlt, und diese kleine Reiteinheit hat mich wieder bestärkt: das nächste Tier wird ein Muli!
Ach so, ja, wir haben natürlich auch den Deck-Esel besichtigt. Ein thekenhohes, rötliches Exemplar, ziemlich unscheinbar und eher desinteressiert an seinen Besuchern - kaum zu glauben, das der so tolle Mulis macht! Aber die Pferdestuten bei Tom waren durch die Bank richtig chic und korrekt gebaut. Kein Wunder, das auch alle Mulis dort ein stabiles Fundament mit guten Knochen, häufig ziemlich breiter Brust und einem pferdigen Hintern haben.
So, ich denke, Tom hatte gehofft, ich würde mein Scheckheft zücken und gleich mal eben zwei oder drei Exemplare kaufen...hätte ich auch liebend gern gemacht, würden zuhause nicht schon 2 Camarguepferde betüdelt werden wollen. Schade!
Insgesamt aber machte Tom auf mich einen guten und empfehlenswerten Eindruck. Falls also jemand mal in die Gegend kommen sollte und nach einem Gaited Mule sucht, wäre die Cedar Hill Ranch sicher einen Besuch wert.
Soweit also mein ausführlicher Bericht.
Liebe Grüße!
Christine
Oh, und bevor ich es vergesse: Warum war die Pforte an der Straße geschlossen und warum bestand Mavis vehement darauf, das sie auch geschlossen bleiben soll? Weil auf dem gesamten Gelände eine Horde von wirklich winzigen Shettys samt Begleitlama (ja, Lama!) frei herumvagabundierte! Echt witzig!