Foto: Lammert
Sind mehrere Reiter mit ihren Pferden im Strassenverkehr unterwegs, kommt schnell die Frage auf: Wie sollen wir uns in einer größeren Gruppe sicher und gesetzeskonform im Verkehr verhalten?

Hierzu die Ausführungen des erfahrenen Wanderreiters Wolfgang Schräder aus Thüringen. Weitere und sehr ausführliche Informationen können dem Buch "Handbuch für Rittführer" von Hajo Seifert entnommen werden!

Vorbemerkung
Zu diesem Thema muss leider festgestellt werden, dass eine Vielzahl von Literatur bzw. Ausbildungsunterlagen aller Verbände am Markt kursiert, in welchen verschiedene Sachverhalte entweder äußerst missverständlich, unvollständig oder sogar falsch dargestellt sind, bzw. diese nicht konform mit der StVO und der Rechtssprechung sind.
Zu deren Erläuterung werden daher die „kritischen Punkte“ nachfolgend etwas intensiver betrachtet und dargestellt.
Was ist ein Verband?
§ 27 StVO Verbände
(1)    Für geschlossene Verbände gelten die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Mehr als 15 Radfahrer dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. .......
(2) Geschlossene Verbände, … müssen, wenn ihre Länge dies erfordert, in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen; an anderen Stellen darf dieser sie nicht unterbrechen.
(3) Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere Verkehrsteilnehmer als solcher deutlich erkennbar ist…
(5) Der Führer des Verbands hat dafür zu sorgen, dass die für geschlossene Verbände geltenden Vorschriften befolgt werden.
Aus dem § 27 StVO bleiben viele Fragen für Reiter und Rittführer offen, da reitende Gruppen hier (mit Ausnahme der Beleuchtungsvorschrift) nicht ausdrücklich erwähnt werden - im Gegensatz zu Radfahrern,
welchen erst ab 15 Fahrern die Bildung eines Verbands, und damit die Inanspruchnahme von besonderen Rechten im Straßenverkehr gestattet ist. 
In Literatur und/oder Lehrmaterialien zum Reiten im Straßenverkehr tauchen häufiger die Begriffe „Verband“ und „geschlossener Verband“ auf und führen oftmals zu einiger Verwirrung.
Der § 27 StVO kennt eine derartige Unterscheidung nicht!
Tatsächlich gibt es auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Bezeichnungen, da ein Verband immer „geschlossen“ sein muss, d. h. die Abteilung ohne größere Zwischenräume zusammen bleiben muss
(sonst wäre es straßenverkehrsrechtlich kein Verband!)!
Der Begriff der Geschlossenheit ist so zu verstehen, dass die Mitglieder des Verbands sich in einer so engen Formation bewegen, dass es anderen Verkehrsteilnehmern nicht möglich ist, zwischen diesen einzelnen Verbandsteilnehmern gefahrlos einzuscheren.
 
Die üblichen Sicherheitsabstände (eine Pferdelänge Abstand) sind also trotzdem auch beim Reiten im geschlossenen Verband zu befolgen; ungenügende Abstände führen bei einem Schaden/Unfall
eventuell zu einem Mitverschulden des zu dicht Aufreitenden. Reiten (fahren) dagegen die einzelnen Teilnehmer in einem Abstand untereinander (von z.B. 50 Metern), kann nicht mehr von einem geschlossenen Verband gesprochen werden und die Verbandsrechte gehen dadurch verloren.
 
Wann ist also von einem Verband im Sinne der StVO zu sprechen?
Aufschluss darüber gibt der Abs. 3 des § 27:
Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere Verkehrsteilnehmer als solcher deutlich erkennbar ist.
OLG Hamm, Az. 27 U 1/94 – aber dagegen verneint im Urteil des LG Trier vom 12.02.2004, Az.: 3 O 156/03!
Schurig/Wagner, Kommentar zur StVO, Kirschbaum-Verlag, ISBN 3-7812-1487-7
Hilfreich ist auch die allgemeine übliche Definition des Verbands:
Ein geschlossener Verband ist eine Mehrheit (Gruppe von Reitern oder Gespannen), die sich als einheitlich Ganzes, das von allen anderen Verkehrsteilnehmern als solches zu erkennen ist, unter einheitlicher Führung gleichartig in eine Richtung bewegt.
Es kommt also besonders auf die Wahrnehmung durch andere Verkehrsteilnehmer an, nicht dagegen auf eine bestimmte Länge oder auch nicht das Reiten nebeneinander in Zweierformation!
Für den Reiterverband müssen also folgende Bedingungen erfüllt sein:
  •  Eine Mehrheit (Gruppe) von mindestens 3 Reitern
  •  mit dem für andere Verkehrsteilnehmer erkennbaren Erscheinungsbild einer Einheit
    (Darstellung der Zusammengehörigkeit z.B. durch geringe Abstände untereinander)
  •  unter einheitlicher Führung und
  •  gleichartig in eine Richtung reitend
Hentschel 38. Auflage Rn 5 zu § 27 vgl. OLG Nürnberg, VersR 1978, 1045 div.Gerichtsurteile LG Verden
An dieser Stelle wird klar, das schon wenige Reiter, die zusammen reiten, in unserem heutigen Verkehrsbild durch andere Verkehrsteilnehmer als eine zusammengehörende Gruppe angesehen werden, im Gegensatz zu Radfahrern, die häufiger im Straßenverkehr anzutreffen sind, ohne dass sie zusammengehören würden!
§ 27 StVO, Abs. 1, Satz 2 besagt, das in einem Verband auch nebeneinander (gefahren) geritten werden darf!
Er besagt nicht, dass in einem Verband auch nebeneinander geritten werden muss!
Die Eigenschaft eines Verbandes im Straßenverkehr liegt also auch dann vor, wenn eine Reitergruppe hintereinander reitet, soweit die übrigen Bedingungen erfüllt sind!
Beleuchtung des Verbandes
Schon in eigenem Interesse der Unfallverhütung muss ein verantwortungsbewusster Geländereiter
immer bestrebt sein, mehr für die Sicherheit zu tun, als nur den gesetzlichen Mindestvorschriften zu genügen!
Hierzu gehört die Ausstattung mit Warnwesten ebenso wie das Anlegen von Leuchtgamaschen und ähnlichen Hilfsmitteln, die zum Teil weit besser durch andere Verkehrsteilnehmer erkannt werden können
und auffälliger sind, als die in der StVO vorgeschriebene Mindestbeleuchtung!
Beachte: Ein Pferd, das quer über die Fahrbahn geführt wird, muss bei Dunkelheit nach beiden Seiten erkennbar beleuchtet sein!
Da beim Überqueren einer Kreuzung oder Linksabbiegen durch Reiter eine ähnliche Situation entsteht, wie beim Führen (die vorhandene Beleuchtung nach vorne und hinten ist für den übrigen Verkehr nicht erkennbar!), ist es dringend anzuraten, bei einer Fahrbahnüberquerung in der Dunkelheit auch diese seitliche Beleuchtungsvorschrift (das benannte Urteil bezieht sich nur auf das Führen von Pferden) zu beachten und entsprechend Vorsorge zu treffen (z.B. Beleuchtung durch weitere Taschenlampen)!
Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Reiten im Straßenverkehr bei schlechten Sichtverhältnissen
bzw. Dunkelheit immer eine stark erhöhte Gefahr für alle Beteiligten darstellt und die absolute Ausnahme sein sollte – und zwar erst recht außerhalb geschlossener Ortschaften! Ein verantwortungsbewusster Rittführer wird immer versuchen, solche Situationen durch vorausschauende Rittplanung (mit einkalkulierten Verspätungen) und Streckenwahl unbedingt zu vermeiden!
 Rechte und Pflichten im Verband
  • Kein dem Verband zugehöriger Reiter darf selbständig Richtungsänderungen vornehmen, überholen, die Gangart ändern, abbiegen etc.
  • Der restliche Verband darf an einer roten Ampel nicht anhalten, wenn die ersten Reiter diese bei grün passiert haben
  • Auch beim Linksabbiegen bleibt der Verband zusammen und darf nicht von anderen Verkehrsteilnehmern unterbrochen werden, bzw. die nachfolgenden verbandszugehörigen Reiter
    sind nicht wartepflichtig
  • Nicht jeder einzelne Reiter des Verbands muss den Beleuchtungsvorschriften der StVO für Reiter genügen, sondern es reicht aus, wenn der Verband insgesamt, bzw. auch jede Abteilung eines Verbands, entsprechend beleuchtet ist.
Riecker, VersR 1982, 1034
LG Verden, Urteil vom 02.02.1989, Az. Ns Ds 2 Js 10396/88
Formation des geschlossenen Verbands
In welcher Formation in einem geschlossenen Verband geritten wird, richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen des Straßenverkehrs und ebenso auch der Gruppengröße.
Es obliegt dem Rittführer, sich auf die im Straßenverkehr ständig ändernden Verhältnisse einzustellen und die augenblickliche Formation ständig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Auf Bundes- und Landstraßen, bzw. außerhalb geschlossener Ortschaften wird daher ein geschlossener Verband normaler Größe in der Regel hintereinander reitend zu führen sein.
Auch innerhalb geschlossener Ortschaften gibt es Straßen, auf welchen üblicherweise relativ zügig gefahren wird und insbesondere, wenn diese unübersichtlich sind, sollte auf eine Zweierformation möglichst verzichtet werden.
Im langsam fließenden und stärkerem Verkehr innerhalb von Ortschaften ist dagegen oft die Zweierformation zweckmäßig.
 
Die Gruppe reitet nicht so weit auseinander gezogen und ist dadurch übersichtlicher und kompakter.
Auch reduziert sich dadurch die Gefahr, dass Reiter durch überholende bzw. vorbeifahrende Kraftfahrzeuge seitlich bedrängt werden.
Insbesondere beim Abbiegen bzw. im Kreuzungsbereich ist die Zweierformation von Vorteil, da diese Verkehrspunkte in dieser Formation schneller und somit weniger behindernd passiert werden können.
Aus diesen unterschiedlichen Situationen und Anforderungen heraus ergibt sich die Notwendigkeit, das korrekte und zügige Umformatieren einer Reitergruppe (von Einerformation zu Zweierformation und zurück) auf vorbestimmtes Zeichen hinreichend zu üben, bevor eine Gruppe in den Straßenverkehr geführt wird.
Dies kann auch z.B. auf einem Feldweg zuvor geschehen.
Es kann in einem geschlossenen Verband übrigens auch in Dreierformation (drei Pferde nebeneinander) geritten werden, vorausgesetzt, dass die Fahrbahn hierzu ausreichend breit ist und der Verkehr dadurch nicht behindert wird!

 

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