Unser Mitglied Heike Wedler hat hier tatkräftig mit ihren Schülern mitgewirkt und diesen spannenden Artikel dazu geschrieben:
Bei den Nationalen Special Olympics 05.-10.06.2016 in Hannover – oder: was Freizeitpferde noch so nebenbei machen
Special Olympics??? „Special Olympics Deutschland (SOD) ist die deutsche Organisation der weltweit größten, vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) offiziell anerkannten Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Im Jahr 1968 durch Eunice Kennedy-Shriver, einer Schwester von US-Präsident John F. Kennedy ins Leben gerufen, ist Special Olympics heute mit nahezu 4,5 Millionen Athleten in 170 Ländern vertreten.“ (Auszug aus der Homepage von SOD) In Deutschland finden alle 2 Jahre (ab 2018 alle 4 Jahre) die Nationalen Sommerspiele sowie die Nationalen Winterspiele statt, bei denen man sich für die Weltspiele qualifizieren kann. Zusätzlich zu den bisherigen Wettbewerben in den verschiedenen Sportarten werden zunehmend auch Unified-Wettbewerbe ausgeschrieben – das heißt, behinderte und nichtbehinderte Sportler treten als Team an.
Ich habe seit einigen Jahren die Möglichkeit, Schülern der Hans-Helmich-Schule Mettmann, an der ich als Sonderschullehrerin arbeite, 2 x in der Woche im RPC Düsseldorf mit meinen Pferden Lijandra und Gáska Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren anzubieten. Mit einer kleinen Auswahl der Schüler haben wir uns auf die Special Olympics 2016 vorbereitet.
Unser Team: Die Voltigiererinnen Leonie und Janine mit ihrer Unified-Partnerin Lena vom RPC Düsseldorf, die Reiter Judy, Lena, Clarissa und Aron mit der Unified-Partnerin Dana vom RPC Düsseldorf, die ehrenamtlichen Helferinnen Petra und Mara, die Pferde Lija und Gáska und ich als „Headcoach“.
Endlich ist es soweit: Wir sind in Hannover! Herrliches Wetter, eine tolle parkähnliche Reitanlage und super Stimmung im Team sowie bei allen Teilnehmern, Organisatoren und Helfern – besser kann´s nicht sein!
Im Reiten gibt es Wettbewerbe von der Führzügelklasse über Geschicklichkeitsparcours und Dressur bis zum Springen. Die Prüfungen werden in verschiedene Levels unterteilt: C (Schritt, geführt oder selbständig), B (Schritt und Trab) und A (Schritt, Trab, Galopp). Auch beim Volti gibt es Prüfungen im Schritt, Galopp-Schritt oder Galopp in den Bereichen Einzel, Doppel und Mannschaft. Wir starten nur im Schritt. Die Klassifizierungsrunde ermöglicht den Richtern, die Athleten / Mannschaften in ansatzweise leistungshomogene Abteilungen einzuordnen, damit jeder eine Chance hat.
Zuerst steht für uns die Klassifizierung im Einzelvoltigieren an. Ein Reporterteam vom NDR begleitet uns beim Aufwärmtraining und im Prüfungszirkel. Halt! Zwischendurch schnell umsatteln, denn das Voltipferd Lija muss mit Aron zur Klassifizierung für den Geschicklichkeitsparcours. Lija ist da flexibel und gelassen. Nach einem guten Ritt von Aron also schnell wieder die Voltisachen drauf und ab in die Halle. Leonie und Janine haben sich in der Zeit mit Hilfe von Bildkarten die Reihenfolge der Pflicht- und Kürübungen eingeprägt. Alles klappt prima. Zwischendurch noch mit einer Opernsängerin für ein Pressefoto posieren und einer Dame von der FN ein Interview geben – meine Voltis und Lija tun so, als ob sie nichts anderes kennen.
Einen Tag später im Finale steigern sich Leonie und Janine dann noch einmal enorm, so dass Leonie in ihrer Leistungsklasse die Goldmedaille erturnt. Auch Janine ist mit dem 6. Platz in der höheren Abteilung zufrieden. Sie hatte in ihrer Kür spontan noch Extras eingebaut und uns damit überrascht. Die Special Olympics-Hymne „Ich gewinn, ich gewinn, egal ob ich Letzter, Zweiter oder Erster bin …“, die bei jeder Siegerehrung gespielt wird, entwickelt sich in den nächsten Tagen zum Ohrwurm.
Ein Teilnehmer bei den Reitwettbewerben hat Probleme mit seinem Leihpferd (es ist durchgegangen und mit ihm zum Stall galoppiert). Die Organisationsleiterin Uta Deutschländer fragt an, ob Samuel in zwei Wettbewerben auf Lija starten kann. Mit zwei Medaillen dekoriert kann Samuel schließlich zufrieden auf die Specials in Hannover zurückblicken und Lija hat ein weiteres Herz erobert.
Unser erster Unified-Wettbewerb ist das Gruppenvoltigieren. Erst hier in Hannover haben Leonie und Janine ihre Teampartnerin Lena kennengelernt und mit ihr richtig üben können. Aber es läuft prima. Nach den Pflichtübungen zeigen sie eine Kür zum Thema „Peter Pan“ und freuen sich über den 4. Platz. Für mich als Trainerin ist es eine Freude zu sehen, wie so ein gemischtes Team zusammenwächst und welche Leistungssteigerung möglich ist.
Donnerstag sind dann endlich auch die übrigen Teammitglieder am Start. Wir stehen um 5:00 Uhr auf, 6:10 Uhr treffen wir im Reitstall ein. Frühstück im Bus. Boxen misten, Pferde putzen, Turnierkleidung anziehen. 7:45 Uhr Parcoursbegehung. Der Geschicklichkeitsparcours ist auf einem Rasenplatz aufgebaut. Ich seh´ meine Ponys schon fressenderweise im Parcours stehen… Aber Lija und Gáska kennen ihre Aufgabe und arbeiten super mit. Alle sind hoch konzentriert und so klappt es wie am Schnürchen. Aron ist der letzte Reiter. Lija stemmt auf dem Abreiteplatz die Beine in den Boden und bewegt sich keinen Meter mehr. Als ich Aron die Gerte in die Hand drücke wirft Lija mir einen giftigen Blick zu, dann gibt sie nach und lässt sich am langen Zügel durch den Parcours lenken. Auf zur Siegerehrung! Aron und Clarissa freuen sich über ihre Bronzemedaillen und Judy und Lena sind stolz auf ihre Schleifen.
Beeindruckend ist auch die Leistung der anderen Athleten. Da kann man als nichtbehinderter Reiter oder Voltigierer teilweise echt neidisch werden.
Freitag endlich mal länger schlafen. 9:30 Uhr sind wir dann doch schon im Stall und können die Ponys noch eine Weile aufs Paddock stellen. Aron und Dana werden von mir für die Unified Kostümpaarkür als Wikinger verkleidet – das Thema bietet sich bei einem Fjordpferd und einem Isländer einfach an. Aron ist so aufgeregt, dass er mehrere Anläufe nehmen muss, um Lija bei E auf den Hufschlag zu stellen. Dann warten wir auf die Musik … nichts passiert. Die Anlage streikt. Die sonst so ungeduldige Gáska steht völlig unbeweglich. Aber Aron hat jetzt die Nerven blank liegen: „Ich kann das nicht, ich mach das nicht!“ Beschwörend rede ich auf ihn ein: „Atme tief durch. Du schaffst das. Die Ponys stehen ganz ruhig und konzentriert, die machen das schon.“ Endlich setzt die Musik ein und Aron reitet tatsächlich los. So gut hat die Kür noch nie geklappt. Aron und Dana sind toll geritten und auf meine beiden Ponys bin ich enorm stolz. Zur Belohnung gibt es eine Silbermedaille. Als dann die Hymne zum letzten Mal erklingt und alle laut mitsingen ist da schon etwas Wehmut im Spiel. „Bis in zwei Jahren!“ ruft man sich zu und manche Umarmung folgt.
Heike Wedler
VFD Mettmann-Velbert