Eine Reise zu Pferd quer durch Europa im 21Jh. ist ungewöhnlich; vor 150 Jahren war es normal, und bis vor 70 Jahren gehörten die Pferde ins Alltagsbild. In dieser kurzen Zeit wurde das Pferd aus unserem Straßenbild fast vollkommen entfernt. In einigen Ländern in Südeuropa sieht man noch Pferdegespanne im Alltag oder in der Landwirtschaft, aber auch hier verschwinden die Pferde immer mehr. So gerät ein Kulturgut in Vergessenheit und wird meist nur noch als Sportgerät auf Turnieren oder als touristische Attraktion in den Städten für die Öffentlichkeit sichtbar. Dabei gibt es eine immer weiter wachsende Szene an
Pferdefreunden, die die sanfte und ökologische Art des Reisens für sich entdecken: Die Wanderreiter. Einen oder auch mehr Tage unterwegs in der Natur geniessen, erkunden, besuchen und erfreuen diese Teams aus Pferd und Mensch alleine oder in kleinen Gruppen die jeweilige Region. Hohes Tempo oder eine weite Strecke sind nicht das Ziel, sondern der Genuss der Landschaft steht vorne an. Im diesem Sinne folgt eine Gruppe von Reitern dieser Tradition auf ihrem Ritt von Athen nach Kassel.
Die Reise ist inspiriert von dem historischen Ritt des Schweizer Lehrers Aimé Félix Tschiffely (1895–1954), der im Jahr 1925 mit zwei Criollo-Pferden eine Reise von Buenos Aires nach Washington, D.C. antrat. Nach drei Jahren hatte er die 16.000 Kilometer zurückgelegt und war zu einem Volkshelden in Argentinien geworden. Tschiffelys Reise gilt als erster weiter Wanderritt der Geschichte. Vom 8. April bis zum 17. September 2017 findet die documenta 14 in Athen und Kassel statt. Der schottische Künstler Ross Birrell hat die spezifischen geographischen und politischen Kontexte der 14. Ausgabe der Ausstellungsreihe für zeitgenössische Kunst zum Anlass genommen, die beiden Spielorte der Ausstellung mit einem Ritt miteinander zu verbinden. Der Athen-Kassel Ritt, der als Kunstprojekt im Rahmen der documenta 14 ausgerichtet wird, folgt der Philosophie der Rekener Charta, die sich für ein freies und verantwortungsvolles Reiten und Fahren in der Natur ausspricht.
Das Team für den Athen-Kassel Ritt besteht aus den fünf Pferden Kabadiner Artvin, Karabach Issyk Kul, Criollo Calfino Sancho, Arravani Hermes und Haflinger Pacco sowie ihren Reitern Peter van der Gugten, Zsolt Szabo, Tina Boche und David Wewetzer. Unter der Schirmherrschaft der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD) traf sich die Gruppe zum Arravani-Festival in Arkadia, Griechenland und begann am 9. April die Reise. Vom Hinterland in Thrakomakedones über die Höhenzüge führte die Route durch Griechenland nach Norden, durch Mazedonien und Serbien. Danach geht es weiter durch Kroatien, Slowenien, Österreich und Deutschland bis nach Kassel. Dabei legt das Team etwa 3100 Kilometer und 150 Höhenkilometer zurück. Die tägliche Strecke zwischen den verschiedenen Aufenthaltsorten liegt bei etwa 40 Kilometern.
Interessierte können die Reise an jedem Punkt der Strecke begleiten. Am 23. Juni wird eine Delegation der VFD und internationaler Wanderreiter an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich die Reitergruppe erwarten. Gemeinsam reiten sie weiter zu dem europäischen Tschiffely-Camp der VFD Bayern, das in Bischofsreut stattfindet. Das Team und alle, die sich ihnen auf dem Weg angeschlossen haben, werden am 9. Juli auf dem Friedrichsplatz in Kassel erwartet.
Interaktive Karte der aktuellen Position der Reiter:
Die Daten zum Athen-Kassel Ritt
09.04.–28.04.2017 Griechenland 690km
30.04.–08.05.2017 Mazedonien 323km
09.05.–25.05.2017 Serbien 620 km
26.05.–05.06.2017 Kroatien 380 km
06.06.–09.06.2017 Slowenien 119km
10.06.–24.06.2017 Österreich 493 km
25.06.–09.07.2017 Deutschland 552 km