VFD Ausbildungsprogramm mit ganzheitlicher Umweltbildung.
Naturerfahrung und ökologische Verantwortung als Grundlagen eines nachhaltigen Natur- und Umweltschutzes
Der neue VFD Fahrbeauftragte für Bayern Josef Schrallhammer übernimmt ab 2019 zusätzlich die Aufgaben des Naturschutzbeauftragten in dem Landesverband. Welche Erfahrungen und Einstellungen bringt er aus seiner bisherigen Naturschutztätigkeit für dieses Amt mit? Welche Aufgaben sind ihm wichtig, welche Ziele hat er sich vorgenommen und auf welche Weise kann für ihn eine zeitgemäße Umsetzung des in der Satzung der VFD verankerten Naturschutzgedankens gelingen? Worin sieht Josef Schrallhammer die Bedeutung seines Amtes und welche Schwierigkeiten sind bei der Umsetzung der vielfältigen Aufgaben zu erwarten?
Josef Schrallhammer stellt sich meinen Fragen (Sonja Schütz Umweltreferentin des VFD Bundesverbandes)
Voraussetzung für gelingenden Naturschutz
Sonja Schütz: Das Thema Naturschutz, das in der Satzung der VFD verankert ist, liegt dir sehr am Herzen. Als Naturschützer und Umweltaktivist bist du kein unbeschriebenes Blatt. Seit Jahren engagierst du dich für den Schutz und Erhalt einer natürlichen Umwelt und setzt dich unbeugsam gegen deren Beeinträchtigung und Zerstörung ein. Was sind die Gründe für dein beharrliches Engagement und für deinen Einsatz nun auch in unserer Vereinigung für diese so wichtigen Angelegenheiten?
Josef Schrallhammer: Der Schutz der Natur und einer intakten Umwelt hat für mich persönlich, aber auch in Entsprechung der Interessen der VFD eine große Bedeutung: Als Freizeitreiter, Freizeitfahrer und Säumer suchen wir alle, jeder auf seine Art, die Begegnung mit einer vielfältigen Natur und einer ursprünglichen Landschaft. Diese verschwindet jedoch zunehmend aus unserer Umwelt und somit auch aus dem Bewusstsein eines Großteils unserer Gesellschaft.
Bedauerlich ist, dass für die meisten Menschen sich deren Bedeutung –wenn überhaupt - erst durch ihren Verlust offenbart und dass in den Diskussionen über Energiewende, Klimawandel und Umweltschutz die wesentlichen Gesichtspunkte häufig völlig außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich nämlich die grundlegende Frage, in welcher Beziehung der Mensch zur Natur steht und welche Ansprüche sich dadurch ableiten bzw. rechtfertigen lassen.
Bewusstes Wahrnehmen und Erleben von Natur in ihrer Vielfalt sind für mich nicht nur die Voraussetzungen für einen gelingenden Umwelt- und Naturschutz, sondern in ganz besonderer Weise auch für eine ganzheitliche Persönlichkeits- und Gesellschaftsentwicklung.
Wenn Menschen nicht mehr das Bedürfnis verspüren, die Natur in ihrer Vielfalt bewusst wahrnehmen und erleben zu wollen, verlieren sie nicht nur das Empfinden für deren tatsächliche Bedeutung, sondern auch den Zugang zu ihrer persönlichen Identität: Menschen geben sich auf, ohne es zu wissen, und verlieren sich in virtuellen Scheinwelten.
Den Naturschutzgedanken der VFD neu beleben
Sonja Schütz: Anlass der Gründung der VFD Anfang der 1970er Jahre war das Bemühen um ein freies Betretungsrecht in Wald, Feld und Flur auch für unsere Beschäftigung mit Pferden als Reiter und Fahrer. Wirken diese Erfolge von damals für dich heute noch ausreichend in Bezug auf den Naturschutz nach oder siehst Du aktuell dringenden Handlungsbedarf?
Josef Schrallhammer: Die Gründungsmitglieder VFD haben vorausschauend gehandelt und die Weichen richtig gestellt. Unsere Aufgabe ist es jedoch, uns auf dieser Basis den Herausforderungen in sich ändernden Zeiten immer wieder neu zu stellen.
Das freie Betretungsrecht in Natur und Landschaft, für das sich die Gründungsmitglieder VFD vehement eingesetzt haben, ist ein hohes Gut für die Bevölkerung, das jedoch zunehmend in Folge der Intensivierung der Landwirtschaft und der überzogenen Flächennutzung von verschiedenen Seiten ausgehöhlt wird: Die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft, ihre ökologische Funktions- und Regenerationsfähigkeit sowie ihr Erholungswert gehen, obwohl gesetzlich geschützt, in erschreckendem Ausmaß und mit dramatischen Folgen verloren. Dieses Ausmaß an Verlusten, Beeinträchtigungen und Zerstörungen der Umwelt konnte man nicht vorhersehen und wird bedauerlicher Weise auch heute noch nicht ausreichend wahrgenommen.
Als Folge dieser unerfreulichen Entwicklungen sind für uns zusätzlich die Beseitigung und Nutzungsbeschränkung einer Vielzahl von Wegen in der freien Landschaft als auch die fragwürdige Konzentration ökologischer Ausgleichsmaßnahmen auf kleinstem Raum, in dem für die Menschen und ihrer Sehnsucht nach unberührter Natur kein Platz vorgesehen ist, nicht zu unterschätzende Probleme: Interessenskonflikte, die es in aufwändigen Prozessen zu lösen gilt, sind dadurch vorprogrammiert.
Diese unerfreulichen Entwicklungen, die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichem Ausmaß stattfinden, dürfen wir nicht kritiklos hinnehmen, wenn wir uns Zugangsmöglichkeiten in eine natürliche Umwelt für Naturerholung und Naturerleben auch in Zukunft erhalten wollen.
In diesem Zusammenhang gewinnt die Sensibilisierung für Beeinträchtigungen und Zerstörungen von Natur und Umwelt als auch die Bereitschaft, diesen unerfreulichen Entwicklungen konstruktiv wie entschieden entgegenzuwirken, an Bedeutung.
Denn es stellen sich für uns Freizeitreiter, Freizeitfahrer und Säumer doch die Fragen, wie wir Natur und Landschaft wahrnehmen, welchen Stellenwert sie für uns und unsere naturbezogene Beschäftigung mit Pferden hat und wie wir auf Veränderungen reagieren. Vor allem dann, wenn die Veränderungen uns direkt betreffen und einen Verlust an Vielfalt, Eigenart, Schönheit und Erholungswert bedeuten. – einen dramatischen Verlust also an Lebens-, Begegnungs- und Gedankenräume für Menschen, Tiere und Pflanzen gleichermaßen.
Aufgabe der VFD wird sein, zum Schutz von Natur und Umwelt als vielfältigem Lebensraum geeignete Plattformen in Form von Arbeitsgruppen, Berichterstattungen und Netzwerken zu entwickeln und anzubieten.
Impulse für mehr Natur- und Umweltbewusstsein
Sonja Schütz: Du warnst vor den Auswirkungen einer zu beobachtende Entwicklung der Naturentfremdung in der Gesellschaft. Diese ist auch durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Wo siehst Du persönlich und im Rahmen der VFD Möglichkeiten, Anregungen und Impulse für mehr Natur- und Umweltbewusstsein zu geben?
Josef Schrallhammer: Für mich persönlich sind für den Schutz von Natur und Umwelt ein klares Bekenntnis, das Wissen um die eigene ökologische Verantwortung und der persönliche Einsatz sehr wichtig – auch wenn wir alle weit hinter unseren Möglichkeiten oder unseren Idealen zurückbleiben. Wir können im Grunde immer nur noch besser werden. Diese Erkenntnis darf nicht demotivieren, sondern sollte vielmehr Ansporn sein. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist besser, als zu verharren oder –aus welchen Gründen auch immer – unbeirrt den Weg in die Sackgasse der menschlichen Evolution weiter zu verfolgen.
Die VFD kann hier nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für die gesamte Gesellschaft, eine bedeutende Orientierungshilfe sein und wichtige Impulse geben. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit Tieren. Mit unseren Forderungen nach Sicherheit und artgerechter Pferdehaltung unter ökologischen Gesichtspunkten können wir Maßstäbe setzen für alle anderen Bereiche, in denen Tiere sich in menschlicher Obhut befinden. Gerade in diesem Punkt gibt es in unserer Gesellschaft noch sehr viel Nachholbedarf. Wichtig für mich ist, wie wir Tieren als deren Artverwandte begegnen. Der Weg zurück zur Natur führt für mich im Wesentlichen über die Wertschätzung der Tiere, die uns ja auch genetisch näher stehen, als wir es glauben oder glauben wollen.
Sonja Schütz: Eine stärkere Berücksichtigung ökologischer sowie umwelt- und naturpädagogischer Aspekte im Ausbildungsprogramm der VFD wäre meines Erachtens entsprechend deiner Ausführungen sehr begrüßenswert. Wie stellst Du dir diese konkret vor und wie können sie erfolgreich umgesetzt werden?
Josef Schrallhammer: Pferde eignen sich hierfür als optimale Medien: Wer diese sensiblen Lebewesen nicht dominieren will, sondern bereit ist, mit ihnen gewaltfrei zu kommunizieren, um sie zu verstehen und um ihrer Natur zu entsprechen, ist bereits auf dem Weg, die gewonnenen Erkenntnisse auf die gesamte Natur in ihrer Vielfalt und Fülle übertragen zu können.
Wer das Pferd als Spiegel seines Verhaltens und seiner Seele wahrnimmt, hat bereits den ersten Schritt unternommen, seinen ursprünglichen Platz innerhalb der Natur wieder zu finden und sich in den natürlichen Kreislauf einzufügen.
Wer sich die Liebe für eine lebendige Umwelt erhalten oder für sich neu entdeckt hat, den schmerzt jede Beeinträchtigung und jeder Verlust. Die Natur sendet uns Informationen und eröffnet uns mit ihrer unerschöpflichen Fülle Möglichkeiten, die wir nicht mehr zerstören müssen, weil wir sie nicht begreifen wollen.
Diese Aspekte in der Beschäftigung und im Umgang mit Pferden werden bisher noch zu wenig berücksichtigt, weil die Beziehungen des Menschen zum Pferd sich meist auf eine Partnerschaft in der Freizeit oder auf dessen Einsatz im Sport beschränken.
In einer ökologischen, wie umwelt- und naturpädagogischen Ausrichtung des Ausbildungsangebots sehe ich viele Entwicklungsmöglichkeiten für die VFD – auch in Hinblick einer ganzheitlichen Umweltbildung, deren didaktischer Rahmen sich aus der Verbindung zwischen direkter Naturerfahrung und dem Nachhaltigkeitsengagement ergibt.
Viele VFD-Mitglieder streben eine harmonische Einheit mit ihrem Partner Pferd an (und eben nicht große Turniererfolge um jeden Preis) und erleben sich als einen empfindsamen Teil der Natur. Viele von ihnen wollen weder ihre Pferde noch die Natur dominieren, sondern suchen eine harmonische Partnerschaft und Einheit im Sinne einer „Ganzheit der Beziehungen“.
Weitere Ziele in diesem Zusammenhang sind für mich die Förderung und Ausweitung des Freizeit- und Ausbildungsangebots für Kinder und Jugendliche. Sie für die Pferde und die Natur zu gewinnen, ist entscheidend für eine gelingende Zukunft: sowohl für das Kulturgut Pferd als auch für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Vernetzung innerhalb unserer Vereinigung und der VFD nach außen, um im gegenseitigen Austausch und mit unterschiedlichen Institutionen und Interessensverbänden neue Impulse und Anregungen zu entwickeln und aufzugreifen, sowie durch Synergieeffekte unsere Anliegen und Interessen mit mehr Gewicht umsetzen zu können.
Sonja Schütz: Vielen Dank für das informative und intensive Gespräch, für die vielen interessanten Anregungen sowie deine Bereitschaft dich für den Umwelt- und Naturschutz im Interesse der VFD engagiert einzubringen. Viel Freude und Erfolg bei der Ausübung Deiner Tätigkeit als VFD Naturschutzbeauftragter in Bayern. In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.