Das Oberlandesgericht Schleswig hat am 05.06.2013 unter dem Aktenzeichen 7 U 11/12 ein heftig diskutiertes Urteil gefällt. Eine Radfahrerin soll 20 Prozent des ihr entstandenen Schadens selbst tragen, obwohl die Unfallursache zweifelsfrei durch einen Autofahrer gesetzt wurde. Dieser öffnete direkt vor der Radfahrerin die Fahrertür, sodass die Radfahrerin stürzte. Warum nun soll die Radfahrerin 20 Prozent des ihr entstandenen Schadens selbst tragen? Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig hätte sie die Unfallfolgen mildern können, wenn sie einen Fahrradhelm getragen hätte. Auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofes, der obersten zivilrechtlichen Instanz, bestimmt sich das verkehrsrichtige Verhalten nicht nur nach den geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung, sondern auch danach was dem Verkehrsteilnehmer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zumutbar ist, um die Gefahren möglichst gering zu halten. Damit ist ihr ein Mitverschulden zur Last zu legen, nämlich ein Verschulden gegen sich selbst. Aufgeregt wird über dieses Urteil diskutiert, weil es in Deutschland keine Helmpflicht für Fahrradfahrer gibt und diese Entscheidung der bisher üblichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entgegentritt.
Dass sich diese Auslegung des Gesetzes auch auf den Reitsport übertragen lässt, hält das Gericht ausdrücklich fest. Somit kommt bei einem fremd verschuldeten Unfall nicht nur die allgemeine Tiergefahr als Grund für eine Mitschuld in Betracht, sondern auch das Fehlen eines Reithelmes. Hier ist aber zu trennen zwischen der allgemeinen Tiergefahr, die zu einer Teilschuld bei der Unfallverursachung führen kann auf der einen Seite und dem Fehlen eines Reithelmes auf der anderen. Das Mitverschulden bei fehlendem Reithelm kommt selbstverständlich nur dann zum
Tragen, wenn Verletzungen eintreten, die durch den Helm hätten verhindert oder gemildert werden können. Bei einem Beinbruch hilft natürlich auch kein Reithelm. In finanzieller Hinsicht bedeutet dies für einen gesetzlich Krankenversicherten, dass er weniger Schmerzensgeld bekommt und ihm vom Unfallgegner nur ein gewisser Anteil seiner Zuzahlungen und Verdienstausfälle etc. ersetzt werden muss. In diesem Zusammenhang tritt häufig der Einwand gegen das Tragen eines Reithelmes auf, dass die eigene Tierhalterhaftpflichtversicherung das Reiten auch ohne Helm „gestatte“. Unabhängig von den unterschiedlichen Vertragsgestaltungen, muss man sich hierfür vor Augen führen, was die Tierhalterhaftpflichtversicherung überhaupt abdeckt: In der Regel deckt sie den Schaden ab, den das Pferd anrichtet. Wenn beispielsweise der Reiter stürzt, das Pferd daraufhin auf die Straße läuft und einen Unfall verursacht, so ersetzt die Tierhalterhaftpflichtversicherung die entstandenen Schäden. Dadurch dass der Reiter einen Helm getragen hat, hätte der Unfall nicht verhindert werden können, das Pferd wäre trotzdem auf die Straße gelaufen. Da das (Nicht-)Tragen eines Helmes in der Regel nicht ursächlich für einen Unfall ist, kann die Tierhalterhaftpflichtversicherung ohne finanzielles Risiko das Reiten auch ohne Helm „gestatten“.
Bei aller Aufregung um das Urteil des Oberlandesgerichtes Schleswig ist zu beachten, dass es sich um die Meinung eines einzelnen Oberlandesgerichtes handelt und jeder Richter nach seiner eigenen Rechtsauffassung urteilen kann. Die Radfahrerin hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, hier darf man auf eine einheitliche Linie für Deutschland hoffen. Bis dahin lohnt es sich auch in finanzieller Hinsicht einen Reithelm zu tragen.