Die ersten fünf Ritttage hatten wir überstanden. Weder hatte uns mein auf längeren Schrittetappen schmerzender linker Unterschenkel, noch die dicken Weidebäuche der Ponys und die daraus resultierenden schlechten Gurtlagen stoppen können.
Zur Entlastung meines Unterschenkels trugen gelegentliches Absteigen und Führen, Steigbügel mit breiterer Auflage und Stützstrümpfe bei. Um Gurtdruck zu verhindern, gurteten wir die Ponys sehr lose und suchten uns zum Aufsteigen immer Bänke, Baustämme, Stufen oder ähnlich erhöhte Positionen. Außerdem hatten wir den doppelten Strupfengurt an Ratz Packsattel gegen zwei Lammfell-Westerngurte ausgetauscht. Vorne einen Mondgurt und dahinter ein gerader.
Der eigentlich zum Packsattel gehörende doppelte Strupfengurt war aufgrund von Ratz seinem Weidebauch auf einem der Testritte so weit nach vorne gerutscht, dass er an seinen Ellenbogen scheuerte.
Gestern und heute hatten wir, die wir sonst im flachen Land wohnen und reiten, hier im Leinebergland die ersten Höhenzüge überwunden und so langsam waren unsere Zweifel, ob wir uns noch einmal auf ein solches Abenteuer einlassen sollten, verflogen.
Während unsere ersten Tagesetappen über dreißig Kilometer lang waren, begnügten wir uns hier im Bergland zur Gewöhnung anfangs mit unter zwanzig Tageskilometern.Täglich machten wir meist zwei Pausen. In der ersten zwanzig- bis dreißigminütigen Pause ließen wir die Ponys an der Hand grasen. In der zweiten Pause banden wir sie nach dem Grasen an, nahmen das Gepäck von Ratz herunter und ruhten uns dann selber etwas aus.
So auch hier, an dem kleinen Sportplatz in dem Örtchen Eimen.
Während die Ponys im Schatten der Bäume dösten, hatten wir die gestern Abend aus dem Restaurant mitgenommenen Reste unserer üppigen Mahlzeit gegessen und Instand-Eiskaffee dazu getrunken. Um die Ponys vor unserem Weiterritt noch einmal zu tränken, hatte ich mich, mit einem Falteimer in der Hand, zu Fuß auf den Weg zu dem in der Karte eingezeichneten Bachlauf gemacht.
Von hinten hörte ich einen Motorroller herannahen, der mit dem näher kommen immer langsamer wurde.
Schließlich stoppte ein älterer bärtiger Fahrer seinen Roller neben mir.„Möchtest Du Wasser für die Pferde holen?“ fragte er mich.Ich bejahte dies. „Der Bach da vorne ist ausgetrocknet. Aber in der anderen Richtung ist der Friedhof, dort gibt es Wasser. Wenn Ihr möchtet, kann ich Euch einen Eimer voll bringen“, sagte er. Das war ein Angebot, das ich dankend annahm.
Zurück bei den Pferden überraschte ich Angela mit der Information, dass wir gleich Wasser für die Pferde geliefert bekommen würden. Und tatsächlich fuhr wenige Minuten später der Rollerfahrer vor. Auf den Trittbrett stand zwischen seinen Füßen ein großer Eimer mit Wasser.
Während wir damit die Pferde tränkten, bot er uns noch an, Hafer für die Pferde zu holen, was wir aber ablehnten, da wir inzwischen abrittbereit waren und weiter wollten.
Immer wieder erfuhren wir auf unserem Ritt von uns fremden Menschen solche Unterstützung. Am selben Tag stieg an einem kleinen Sägewerk jemand von seinem Gabelstapler, um uns Wasser für die Pferde anzubieten und Abends im Quartier wurde uns ein zusätzliches Pad als Leihgabe angeboten, um die Sattellage von Ratz noch besser für den Packsattel zu polstern. Ein Angebot, das wir gerne annahmen.
Im ganzen waren wir knapp 460 Kilometer in Niedersachsen, NRW, Hessen und Rheinland Pfalz unterwegs, auf denen wir ca. 7600 Höhenmeter Anstieg und 7300 Meter Abstieg bewältigten.
Die achtzehn Ritttage wurden von zwei Pausentagen unterbrochen.
Den Ersten machten wir auf einer Husky- und Rentierfarm im Solling. Dort konnten wir, während die Ponys sich auf einer Weide erholten, mit Huskys kuscheln und Rentiere mit Rentierflechten füttern. Als Nachts dann in dem Wildgehege im Nachtbarort die Wölfe heulten, stimmten die Huskys, deren Gehege nur hundert Meter von unserem Zelt entfernt lag eine vielstimmige Antwort an. Der Ruf der Wildnis! Und das mitten in Deutschland!
Den zweiten Pausentag machten wir in Vöhl am Edersee bei Simone Fleck und Arno Klöser. Dort nahm sich Simone einen Tag frei, um mit uns einen Nachmittag am Edersee zu verbringen. Ihr verdankten wir auch das nächste Quartier, das sie nach einigen Telefonaten bei weit, weit entfernter Verwandtschaft für uns fand.
Vorab geplant hatten wir lediglich die ersten sechs der siebzehn Quartiere. Die restlichen Quartiere hatten wir zumeist an den Vorabenden recherchiert.
Mit den Rasttagen kamen wir so auf eine Übernachtung in einer Burg, einer in einem Weidezelt, einer in einem Wohnwagen und vier in unserem eigenen Zelt. Vier Mal schliefen wir in Reiterstübchen, einmal in einer Reithalle, einmal in einer Stallgasse und für sieben Nächte wurden uns Zimmer mit Betten angeboten.
Als Rettung in der Not, erwies sich das noch kurz vor dem Aufbruch gekaufte Moskitonetz. Ohne dies hätten wir auf der Burg und im Weidezelt des Nächtens bestimmt reichlich Blut gespendet.
Landschaftlich überraschte uns die Etappe vom Solling an die Weser. So gaben uns auf dieser die durch Farnkraut gesäumten, durch Wiesen verlaufenden Graswege das Gefühl in Schottland zu sein.
Kurz darauf erinnerten uns dagegen unbefestigte, an mit Buchen bewaldeten Hängen verlaufende Wege, an unseren Reiturlaub in den Karpaten. Zum Abschluss der Etappe lud an den Hannoverschen Klippen noch ein Skywalk zu einer Pause mit Blick über die Weser ein.
Ein imposanter Anblick war die Junghengstherde der Hengstaufzuchtstation in Hunnesrück. Da unser Weg direkt an deren Weide entlang führte, waren wir dann doch froh, dass wir rechtzeitig in den Wald abbiegen konnten, bevor uns mehrere Dutzend Junghengste zur Begrüßung entgegen galoppiert kamen.
Den auf unsere Route gelegenen Ort Wolfhagen konnten wir durch Parkanlagen und Nebenstraßen mit wenig Verkehrsberührung durchqueren. Genauso versuchten wir auch Frankenberg an der Eder zu durchqueren.
Ein Plan der Anfangs zu funktionieren schien. Bis dann die Fußgängerbrücke über die Eder kam.
Noch von weitem betrachtet, hatten mir zwei Männer, die mit einem großen Dreirad über die Brücke gefahren waren, Hoffnung gemacht. Bei der Brücke angekommen, stellte ich jedoch fest, dass Ratz mit seinen Packboxen breiter als das Dreirad war. Er passte nicht zwischen die Geländer. Wir scheiterten an fünf Zentimetern!
Da es uns zu aufwändig erschien, Ratz abzupacken, die Pferde rüber zu führen, das Gepäck von Hand rüber zu tragen und drüben wieder aufzuladen, blieb uns nicht anderes über, als entlang von stark befahrenen Hauptstraßen unseren Weg durch die Stadt fortzusetzen.
Ein anderes Mal zwang uns am Waldrand eine dichte Schlehenhecke mit einem Drehkreuz als Durchlass für Fußgänger zur Umkehr. So wurden aus dem einen Kilometer bis zum Quartier derer drei.
Mit dem Wetter hatten wir ziemliches Glück, zwei, drei Mal mussten wir für etwa eine Viertelstunde Regensachen anziehen. Lediglich am vorletzten Rittag ritten wir gut drei Stunden durch Regen.
Und auch so schien das Glück auf unsere Seite gewesen zu sein, blieben doch zwei kleine Unfälle ohne Folgen.
Der erste ereignete sich auf einem steilen rutschigen Waldweg, auf welchem die Räder von Holzerntemaschinen tiefe Furchen hinterlassen hatten. Leider war der schmale Damm zwischen den beiden tiefen, mit Wasser gefüllten Furchen so aufgeweicht, dass er unter Ratz seinen Hufen einbrach, Ratz ausrutschte und auf die Seite stürzte. Zu unserem Glück verletzte er sich dabei nicht und der Packsattel, die Gurte und das Gepäck überstanden den Sturz ohne Schaden.
Ein anderes Mal wurde ich vom Pferd geangelt. Ich war gerade dabei mich unter einem tief hängenden Ast hindurch zu bücken, als ich hinten am Kragen gepackt wurde. Im Zeitlupentempo ging es dann samt Sattel, den ich ja zur Schonung der Gurtlage lose gegurtet hatte, seitwärts runter von Snorre. Zum Glück blieb dieser ganz ruhig, so das ich recht sanft auf dem Boden landete ohne mich zu verletzen.
Bei der späteren Inspektion des Baums stellte sich heraus, dass an diesem ein tiefhängender Ast bis auf ca. vier Zentimeter gekappt worden war. In dem verbliebenen Stumpf hatte sich die Kapuze meines Regencapes, das ich von dem letzten Regenschauer noch anhatte, verfangen.
Alles in allem war es ein wirklich schöner Ritt, auf dem wir fast nur im hier und jetzt gelebt haben.
Auffällig war, dass viele der Wehwechen, die uns im Vorfeld des Rittes hatten zweifeln lassen, nach den ersten drei Ritttagen verschwunden waren. Erschreckend war dagegen, dass diese zurück zuhause im Alltag nach wenigen Tagen wieder kamen. Vielleicht ein Grund den Alltag aufzugeben und nur noch zu reiten?
Allerdings hätten wir, wenn wir nach Waldbrunn noch hätten weiter reiten wollen, die Pferde in jedem Fall neu beschlagen lassen müssen. Die vorderen Kunststoffbeschläge von Yaimie und die hinteren von Ratz waren am Ende.
Ein großes Lob geht an Katharina und Andrea, dass sie uns unsere Gespanne für die Rückreise in den Westerwald gebracht haben. Weiterhin möchte ich mich bei dem Orgateam und den Helfern für all die Arbeit, die das Lager in Waldbrunn machte, bedanken. Bedanken möchte ich mich außerdem bei all den vielen Menschen, die uns als Fremde auf unserem Ritt unterstützt haben.
Abschließend geht noch an ein ganz großes DANKE an unsere drei Ponys Yaimie, Ratz und Snorre.