Eine Pilgerreise der besonderen Art!

 

Auf der Strecke

Uwe Volkmann aus Montabaur in Rheinland-Pfalz hat sich einen ganz besonderen Traum erfüllt: Der Westerwälder bewältigte im vergangenen Jahr den weltberühmten Jakobsweg mit einer Pferdekutsche. Gemeinsam mit seiner Frau Verena und seinem Freund Jürgen Simon machte sich Uwe Volkmann mit seinen beiden Haflinger Napoleon (20) und Starlight (17) per Gespann auf eine ungewöhnliche wie einmalige Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Das Trio hatte dabei einige Strapazen zu überstehen, absolvierte insgesamt fast 700 Kilometer und hatte schließlich im Ziel doppelten Grund zum Feiern: Zum einen waren sie die ersten, die diese Strecke nachweislich mit der Pferdekutsche zurückgelegt hatten, und zum anderen feierte Uwe Volkmann wenige Tage nach Zielankunft seinen 70. Geburtstag. Hier berichtet der Pilger aus Montabaur von seinem großen Abenteuer:

Auf den WegenWir hatten den Buchtitel von Hape Kerkeling wörtlich genommen und „waren dann mal weg!“. Am 18. August sind meine Frau Verena, mein Freund Jürgen Simon und ich von unserem Heimatort Montabaur aus in Richtung Spanien gestartet. Unserem Abenteuer „Per Kutsche über den Jakobsweg“ war eine zwölfmonatige Planung vorausgegangen. Unser Ziel war es, die ersten zu sein, die nach den vorliegenden Aufzeichnungen jemals diese Strecke mit einer Pferdekutsche zurücklegten. Dies wurde uns im Übrigen von der Jakobusgesellschaft in Aachen bestätigt. Von dieser bekamen wir auch die Pilgerausweise ausgehändigt, die wir als Nachweis für unsere Pilgerreise benötigten.

Die endlose WeiteNach rund 1500 Kilometern Anreise und Zwischenstopps im französischen Troyes und Niort erreichten wir am dritten Tag Puente la Reina in Spanien, wo wir den Einstieg auf den Jakobsweg „Camino France“ geplant hatten. Vorher holten wir noch unseren Scout in Biarritz ab, der uns auf der Strecke als Trossfahrer begleiten sollte. Wir hatten Puente la Reina als Ausgangsort unserer Reise gewählt, weil wir die äußerst schwierige Etappe über die Pyrenäen uns und den Pferden nicht zumuten wollten. Im Nachhinein waren diese Bedenken der Unkenntnis geschuldet, denn die anschließend zu bewältigenden Streckenabschnitte standen denen der Pyrenäen in nichts nach. Für die rund 700 Kilometer bis Santiago de Compostela hatten wir 28 Tage (einschließlich Ruhetage) vorgesehen. Der Erfolg dieser Fahrt, das kann ich im nachhinein nur unterstreichen, ist alleine meinen beiden treuen Pferdegesellen Napoleon und Starlight geschuldet. Geplant hatten wir eigentlich, dass wir nach Möglichkeit den gleichen Weg befahren, den auch die Pilger nehmen. Cruz de Feirro auf 1.500 mDies zeigte uns schnell Grenzen auf, die nur mit fahrerischem Können und der Wesens- und Trittsicherheit der Pferde bewältigt werden konnten. Gut auch, dass ich vorgesorgt und die Hufe mit Einlegeplatten geschützt hatte. Die Wegebeschaffenheit stellte uns von Beginn an vor schwierige Aufgaben, die ich bei meinen langen Wanderfahrten so noch nicht erlebt hatte. So wurden wir auf der gesamten Strecke mit Forststraßen, schmalen Hohlwegen, sandigen Pisten, lehmigen Spuren, Kieswegen, mittelalterlichen Steinstraßen, lockerem Geröll, Furten, Wiesen und Wurzeln aber auch Asphalt konfrontiert. Hinzu kam das stetige Auf und Ab auf sehr kurzen, aber auch auf endlos langen Strecken, auf denen Verena und Jürgen oft zum Absteigen gezwungen waren. Weitere große Herausforderungen waren die Überfahrten von vier Bergpässen, darunter unter anderem der Cruz de Ferro mit 1531 Metern, sowie die teilweise extremen Witterungsbedingungen, die von Temperaturen um die 40 Grad Celsius bis hin zu Regen und orkanartigen Stürmen reichten. Auf der anderen Seite aber bot die Reise einen optischen Höhepunkt nach dem anderen. Zahlreiche kunsthistorische sakrale und profane Baudenkmäler entlang der gesamten Wegstrecke machten deutlich, warum der Jakobsweg auch kunsthistorisch so faszinierend ist.

Ein guter ÜbernachtungsplatzAuch die Infrastruktur rund um den Jakobsweg kann im Großen und Ganzen als gut bezeichnet werden. Da es der „normale“ Pilger allerdings bei den vielen Herbergen, Restaurants und Hotels durchaus einfach hat, als einer, der mit der Pferdekutsche unterwegs ist, hatten wir unsere Unterkünfte für Mensch und Tier vorsorglich von Zuhause aus vorgebucht. Im Nachhinein bleibt festzuhalten, dass die Zimmerunterbringung in Ordnung war. Dies galt leider für die Pferde nicht immer und zwang uns oft zu improvisieren. Große Schwierigkeiten gab es außerdem bei der Beschilderung abseits der Originalstrecke, die wir immer mal wieder verlassen mussten, da sie für die Kutsche unpassierbar wurde. So mussten wir immer mal wieder zu technischen Hilfsmitteln in Form von Kompass oder Google Map greifen, um zurück auf den richtigen Weg zu gelangen.

Kathedrale LeonDoch für diese kleinen Unzulänglichkeiten entschädigten uns die vielen Erlebnisse auf unserer Reise, die uns für immer im Gedächtnis bleiben werden. Diese Erinnerungen reichen von den vielen freundlichen Einheimischen, die uns unterwegs mit „Bonito“-Rufen willkommen hießen, bis hin zu den vielen Pilgern, die wir auf unserer Reise trafen und mit denen wir für unzählige Erinnerungsfotos gerne posierten. Schon bald avancierten wir regelrecht zur kleinen Sensation auf dem Jakobsweg, wurden über die sozialen Netzwerke wie Twitter oder Facebook „weitergereicht“ und in den jeweiligen Orten angekündigt. Sogar ein regionaler Fernsehsender begleitete uns ein Stück des Weges und berichtete von unserer Reise.

Schließlich kamen wir planmäßig am 18. September bei strömenden Regen in Santiago de Compostela an. Dort durften wir am Tag darauf dann sogar mit unserer Kutsche und Polizeibegleitung auf den Platz vor der Kathedrale fahren. Mit zitternden Knien stiegen wir drei von der Kutsche ab und lagen uns minutenlang tränenreich in den Armen. Dass wir es tatsächlich geschafft hatten, konnten wir kaum fassen. Keiner hatte dies vor Pilgerpassuns vollbracht. Dabei galt meinerseits einmal mehr der Stolz meinen Pferden Napoleon und Starlight, die wieder einmal gezeigt haben, was in ihnen steckt. Nach der Zeremonie auf der Plaza machten sich Jürgen, meine Frau und ich mit unserem vollgestempelten Pilgerpass (41 Stempel) auf zum Pilgerbüro, wo wir schließlich unsere Compostela, die offizielle Urkunde, erhielten, die uns dreien den Abschluss der Pilgerreise mit der Pferdekutsche offiziell bescheinigt. Drei Tage nach der Zielankunft konnten wir gemeinsam auf der Plaza vor der Kathedrale in Santiago de Compostela auf meinen 70. Geburtstag anstoßen, ehe es dann wieder auf die Heimreise ging. Was bleibt sind unvergessliche Erinnerungen an 694 Kilometer auf dem Jakobsweg (davon 462 Kilometer auf dem Originalweg und 232 Kilometer auf Nebenstrecken). Die reine Fahrzeit betrug 138 Stunden, und mit dem Auto waren wir einschließlich der Trossbegleitung 6600 Kilometer unterwegs. Dank der optimalen Vorbereitung der Hufe durch meinen Hufschmied, hatten wir auf der gesamten Strecke nur ein gelockertes Hufeisen neu befestigen müssen; dafür allerdings gab es gleich vier Reifenschäden am Trossfahrzeug zu verzeichnen.Unbill des Wetters

Mythen und Legenden begleiten den Jakobsweg seit mehr als 1000 Jahren. Man stellt sich mehr als einmal die Frage, was macht die Faszination dieses Weges aus. Im Vorwort eines Reiseführers entdeckte ich folgende Beschreibung: „Was die eigentliche Bedeutung dieser Reise ausmacht, wird jeder nachvollziehen können, der sich, egal ob im Konvoi oder im Alleingang, auf dem Weg macht. Wie wenig unterscheiden sich plötzlich Menschen, die mit einem gemeinsamen Ziel einen gemeinsamen Weg beschreiten! Alle sind gleich, ungeachtet der Fortbewegungsart, der Nationalität oder Konfession. Spätestens dann, wenn man nach einem harten und erlebnisreichen Tag in einer Herberge gemeinsam isst und trinkt, spürt man etwas von diesem Geist, der alle vereint.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Für uns drei - Verena, Jürgen und mich - wird es ein unvergessliches Erlebnis bleiben!

camino frances 1Eckdaten der Reise

  • Vorbereitungszeit: Zwei Jahre von der Idee bis zur Ausführung
  • Anreise: Troyes – Niort/Frankreich – Puente la Reina
  • Etappen: Puente la Reina – Estella – Los Arcros – Logrono – Najera – Redecilla – San Juan – Burgos – Castrojeritz – Fromista – Carrion – Sahagun – Mansilla – Leon – Hospital – Rabanal – Molinaseca – Villafranca – Padornelo – Sarria – Portomarin – Palas de Rei – Arzua- Santiago de Compostela
  • Tagesstrecke: ca. 30 bis 40 Kilometer
  • Gesamtstrecke: 694 Kilometer
  • HoehenprofilGesamtfahrzeit: 138 Stunden
  • Gesamtstrecke einschl. Trossfahrzeug:6600 Kilometer
  • Heimreise:  Miranda/Spanien – Niort – Troyes – Montabaur
  • Karten/Navi: Topo Spanien 1:50.000, Garmin Montana 600 mit Topo Spanien 1:25.000, I-Pad Google Map
  • Kutsche: Wagonette mit Dach, Luftfederung (Glinkowski)
  • Geschirr: Marathon-Kumt mit Rückschlag (ohne Bauchgurt) (Schröder)
  • Futter: Heu/Stroh, 6 Ztr. Kraftfutter „Cornmüsli“ (Marstall)
  • Mediale Begleitung: SWR 4 (4 Radioreportagen), SWR 3 (Landesschau), Westerwälder Zeitung

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