Eine Rückschau auf die Veranstaltung der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung IGN und dem Eidgenössischen Department für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF - Agroscope mit dem Schweizer Nationalgestüt SNG - am 29. und 30. Juni 2017 in Avenches , Schweiz

Was für eine großartige Veranstaltung!

Zum Wohle der Pferde. Für alle Pferdeleute, die neue, wissenschaftlich unterfütterte Erkenntnisse hören und praktisch anwenden wollen.

Aber auch ganz besonders für jene, die das Wohlbefinden der Pferde als gegeben ansehen.

Mit Schweizer Präzision glänzten Vorbereitung und Ablauf der 30. Internationale IGN-Tagung mit den Vorträgen der Wissenschaftler und dem wohlausgesuchten Themenkatalog. Effektiv und praxisnah vermittelten die wissenschaftlichen Kurzvorträge neue Erkenntnisse in drei Themenblöcken.

Die offizielle Begrüßung der Teilnehmer erfolgte durch Dr. Nina Keil (IGN), Dr. Iris Bachmann (SNG) und Charles Rolliet vom Schweizer Verband für Pferdesport.

Packend provozierte Dr. Elke Hartmann von der Swedish Universitiy of Agricultural Science & International Society for Equitation Science in Uppsala die Teilnehmer im angeschlossenen Einleitungsvortrag mit der Frage Nutzung und Wohlergehen von Pferden: Ein Widerspruch?

Damit war der Spannungsbogen aufgebaut und die Zuhörer folgten gebannt den Inhalten der drei Themenblöcke am gleichen und Folgetag.

In der unmittelbaren nebenan befindlichen Hälfte der Reithalle des Haras National erfolgten mit Hilfe von Mitarbeitern des Schweizer Nationalgestüts wohl organisierte, vorher nicht einstudierte praktische Demonstrationen mit Hengsten der Freiberger Rasse zum jeweiligen Themenblock.

Abgeschlossen wurde ein jeder Thementeil durch eine professionell moderierte Podiumsdiskussion mit Fachleuten aus dem Pferdesport, an der sich engagierte Tagungsteilnehmer lebhaft beteiligten.

I WORAN ERKENNT MAN; DASS EIN PFERD BEI DER NUTZUNG ÜBERFORDERT IST?

Die Beurteilung des Wohlbefindens wurde von Dr. Sara Hinze von der Universität für Bodenkultur in Wien mit vielen Denkanstössen für Pferdehalter behandelt.

Mit ihren Aussagen zu den Physiologischen und Verhaltensindikatoren zur Schmerz- und Stresserkennung faszinierte Dr. Diana Stucke vom Veterinäramt Ravensburg die große Teilnehmeranzahl.

Kathrin KienapfelWichtige Verhaltensindikatoren zur Schmerz- und Stresserkennung beleuchtete Dr. Kathrin Kienapfel von der Ruhr-Universität in Bochum
Aktion “Einführung  eines  einheitlichen Messsystems zur Kontrolle von Sperr- und Nasenriemen“

DEMONSTRATION:

Erkennung der Anzeichen von Überforderung, Stress und Schmerzen (Stucke, Zollinger)

PODIUMSDISKUSSION: Können die Ergebnisse in die Praxis umgesetzt werden?

II WAS KÖNNEN PFERDE LERNEN UND WIE LERNEN PFERDE?

Der Kurzvortag von Dr. Konstanze Krüger von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen vermittelte eine aufschlussreiche aktuelle Übersicht zur Kognition und dem Lernen bei Pferden.

Die Vorgänge der Lerntheorien, Konditionierungsvorgänge und deren Bedeutung für Ausbildung und Training brachte Dr. Vivian Gabor von der Georg august-Universität in Göttingen den TeilnehmerInnen nahe.

Dr. Willa Bohnet von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover widmete sich in ihrem Vortrag dem profunden Vergleich verschiedener Ausbildungsmethoden.

Die Tierärztin und Verhaltensmedizinerin Dr. Ruth Hermann von der STW Schweiz referierte eindringlich zum Thema Verhaltenstraining statt Zwangsmaßnahmen.

DEMONSTRATION: Korrekte Anwendung der Lerntheorien (Gabor)

PODIUMSDISKUSSION: Können die Ergebnisse in die Praxis umgesetzt werden?

III DIE PERSÖNLICHKEIT DES PFERDES – SEINE BEDEUTUNG FÜR DIE NUTZUNG

Die Wichtigkeit der Beurteilung und Bedeutung der Pferdepersönlichkeit im Hinblick auf den Tierschutz nahm sich Dr. Uta König von Borstel von der Georg-August-Universität in Göttingen als Thema für ihre Präsentation.

Dr. Christoph Dahl von Universität in Neuchatel stellte - unter dem Stichwort Big Data - Methoden vor, die Messungen Über die natürliche Bedeutung der Bewegungsgestalt von Pferden und deren Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen erlauben.

Die Eignung von Temperamentstests zur Integration in Pferdezuchtprogramme nahm sich Dr. Patricia Graf von der Georg-August-Universität in Göttingen zum Thema, um intensiv neue Erkenntnisse zu vermitteln.

DEMONSTRATION:

Beurteilen und Testen von Persönlichkeitsmerkmalen (Graf, Maigrot, Briefer)

PODIUMSDISKUSSION: Können die Ergebnisse in die Praxis umgesetzt werden?

Das Schlusswort von Dr. Margit Zeitler-Feicht von der Technischen Universität München in Freising-Weihenstephan betonte in ihrer Zusammenfassung die Kernerkenntnisse der behandelten aktuellen Themen. Sie rief dazu auf, diese Erkenntnisse zum Wohle der Pferde auf breiter Linie in der Praxis umzusetzen.

Dr. Caroline Wöhr, die Vorsitzende der IGN übernahm die Verabschiedung der Tagungsteilnehmer mit dem Angebot der Wissenschaft, die Pferdesportverbände und allen Interessengruppen in der Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis zu unterstützen.

MEIN FAZIT als delegierter Tagungsteilnehmer aus dem VFD-Fachbeirat Ethik und Tierschutz und Beteiligter in der letzten Podiumsdiskussion
Die einzelnen Disziplinen des Pferdesports in Wettbewerb und Freizeit brauchen einen Gesinnungswandel!
Die Klassische Ausbildung von Pferd und Reiter/Fahrer muss sich auf ihre Wurzeln besinnen. Die Erkenntnisse von Xenophon und Gustav Steinbrecht bis Wilhelm Müseler werden durch die heutigen wissenschaftlichen Erforschungen weitestgehend bestätigt.
Die in weiten Teilen erfolgte Pervertierung der klassischen Ausbildung seit den 1950er Jahren erfährt keine Bestätigung. Immer noch höher, weiter und schneller ist in Verbindung mit überzogener Ausrüstung und unsensibler Reit- und Fahrweise kein Mittel zum nachhaltigen Erfolg.
Besinnen wir uns stattdessen mit Hilfe der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die motivierenden Grundlagen im Umgang mit unseren Pferden zur bestmöglichen Harmonie von Pferd und Reiter/Fahrer und zum Wohle des Pferdes durch unser Wissen, unseren Respekt und unsere Geduld. Demut beim Menschen hilft den Pferden.

Horst Brindel | 2017-07-02
Fotos:  Vanessa Tegtmeyer

INFORMATION ÜBER DIE 30. IGN-TAGUNG hier

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