PROTECTING HORSES AGAINST WOLVES IN GERMANY in deutscher Version: SCHUTZ VON PFERDEN VOR WÖLFEN IN DEUTSCHLAND - Originalartikel: Erschienen in der 23. Ausgabe des Newsletter ‚Carnivore Damage Prevention News‘ (CDPnews).
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe (englisch) liegt auf dem Thema „Herdenschutz in der Pferdehaltung“. (S. 12-19) Link
Ernst-Hermann Solmsen1, Markus Bathen1, Theo Grüntjens1, Enno Hempel1, Moritz Klose1, Konstanze Krüger2, Hannelore Martin1, Anke Meyer1, Peter Schütte1, Linda Vogel2, Sarah Wiezorek2, Bärbel Wittor1†
1 Arbeitskreis Pferd und Wolf, Fachbeirat der Pferdeland Niedersachsen GmbH; Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
2 Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU), Neckarsteige 6-10, D-72622 Nürtingen
1. Hintergrund
Mit der Erholung und dem Wiederanwachsen der Wolfspopulation in Europa sehen sich Tierhalter neuen Herausforderungen ausgesetzt, da mit der Ausrottung der Tiere vor gut 150 Jahren die Kenntnisse und die Fähigkeiten zum Schutz von frei grasenden Nutztieren verloren gingen. Während Schafe und Ziegen in ganz Europa für Wölfe als Beute interessant sind, gelten Pferde selten als Beute, wenngleich sie in Teilen von Portugal, Griechenland und Italien durchaus häufiger Bestandteil des Beutespektrums sind (Linnell and Cretois, 2018).
In vielen Ländern besteht die Auffassung, dass Pferde nicht zum üblichen Beutespektrum von Wölfen gehören (NABU, 2015), dagegen gibt es Daten aus Portugal, Rumänien und der Mongolei, die Pferde als Hauptbeute für Wölfe benennen (Dorj and Namkai, 2013; van Duyne et al., 2009; Vos, 2000). Jüngst hat allerdings auch eine Untersuchung aus einem Schutzgebiet im Norden der Mongolei, das eine Fülle wildlebender Huftiere beherbergt, keinerlei Hinweise von Nutztieren in der Wolfsnahrung ergeben, obwohl dort auch Pferde frei gehalten werden (Tiralla et al., 2020). Dies unterstützt die Vermutung, dass Wölfe wilde Huftiere bevorzugen, wenn sie in ausreichender Anzahl verfügbar sind (e.g. Imbert et al., 2016; Jedrzejewski et al., 2012; Meriggi et al., 2015). Wo Wölfe in Südeuropa Pferde erbeuten, greifen sie gewöhnlich ungeschützte Tiere auf offener Weide an (e.g. Fico et al., 1993; López-Bao et al., 2013).
Können diese Daten auf Zentraleuropa und Deutschland übertragen werden? Bei uns münden die Sorgen von Weidetierhaltern und Pferdebesitzern in zwei Hauptbefürchtungen: erstens, dass Wölfe Pferde direkt angreifen und töten und zweitens, dass die Anwesenheit bzw. das Jagdverhalten von Wölfen bei Pferden Panik auslöst und durch Ausbruch zu schweren Unfällen führen könnten (Grönemann, 2015). Eine Nahrungsanalyse von Wölfen in den ersten acht Jahren des Wiederbesiedelungsprozesses in Deutschland zeigte, dass vor allem Rehwild (Capreolus capreolus), Rotwild (Cervus elaphus) und Schwarzwild (Sus scrofa) als Beute genutzt wurden. Dagegen betrugen Nutztiere (Schafe) gerade einmal 0.6% der konsumierten Biomasse (Wagner et al., 2012). Wolfsattacken auf Pferde waren zu dieser Zeit in Deutschland 2000–2014 (LJN, 2015) noch nicht vorgekommen – wenngleich die Rissdokumentationen für kleine Viehrassen in diesem Zeitraum ständig stiegen.
Die ersten bestätigten Wolfsangriffe auf Pferde in Deutschland wurden im Frühjahr 2015 aus Sachsen-Anhalt gemeldet. Dort werden in der Oranienbaumer Heide, einem früheren Militärübungsplatz, der jetzt als Naturfläche renaturiert ist, halbwilde Kleinpferde (Fig. 1 ) gemeinsam mit Heck-Rindern (einer im wahrsten Sinne urtümlichen Rückzüchtung des Hausrinds) seit 2008 in der offenen Landschaft gehalten, um dem Baumwuchs entgegenzuwirken. In dieser Heidelandschaft kommen ebenfalls viele der heimischen natürlichen Wildhuftiere, wie Rehe, Rothirsche, Damhirsche (Cervus dama) und Wildschweine vor. Das erste Wolfterritorium errichtete dort 2014 eine einzelne Wolfsfähe. Während sie im ersten Jahr kein Interesse an den Koniks zeigte, begannen im Frühjahr 2015 Angriffe auf neugeborene Fohlen, die anhand von in den Bisswunden an den überlebenden Fohlen nachgewiesener Wolfs-DNA klar zugeordnet werden konnten. Im darauf folgenden Jahr gesellte sich ein Wolfsrüde aus Sachsen dazu und das Paar überwältigte mehrere Fohlen. Da man sich nicht anders zu helfen wusste, wurden die trächtigen Stuten fortan vorübergehend an andere Weiden verbracht, um der weiteren Wolfsprädation vorzubeugen. (S. Caspers, pers. comm., 2016).
Fig. 1 Konik in der Oranienbaumer Heide. (Photo: E.-H. Solmsen)
Auch in Niedersachsen, einem Bundesland mit langer Tradition in Pferdezucht und Pferdesport traten die ersten Zwischenfälle, bei denen Pferde durch Wölfe zu Schaden kamen im Jahr 2015 auf. Insgesamt wurden dort innerhalb von 12 Jahren 43 gemeldete Wolfsübergriffe auf Pferde offiziell registriert (LJN, 2020). Wolfsbeteiligung wurde in vier Fällen gesichert (Fig. 2). Im Jahr 2020 kamen in Niedersachsen 13 gemeldete Wolfsangriffe auf Pferde hinzu. Dabei gab es in sechs Fällen keinen Beweis dafür, dass wirklich Wölfe beteiligt waren. Die übrigen sieben Angriffe, bei denen sechs Pferde getötet und vier verletzt wurden, waren nachweislich von Wölfen verursacht (NLWKN, Nina Kronshage, pers. comm., 2021). Andere Meldungen (LJN, 2020) geben für das gleiche Kalenderjahr an, dass von einem territorialen Wolfspaar, das dafür bekannt ist, auch Rinder angegriffen zu haben, zwei Pferde getötet wurden und eines verletzt. Darüber hinaus gab es zwei weitere bestätigte Wolfsangriffe; aber die weiteren Meldungen konnten entweder nicht bestätigt werden oder gingen auf andere Ursachen zurück, wie z.B. Fraßspuren an Kadavern von totgeborenen Fohlen.
Fig. 2a Ergebnisse der offiziellen Erhebung vermutlicher Wolfsangriffe auf Pferde in Niedersachsen im Zeitraum 2007–2019. Quelle: LJN, 2019.
Fig. 2b Ein von Wölfen getötetes Pferd im LK Nienburg 2020 (Photo: H. Wichmann)
2. Bildung eines Arbeitskreises
Vor dem geschilderten Hintergrund gründete sich 2013 der “Arbeitskreis Pferd & Wolf“ als Fachbeirat der Pferdeland Niedersachsen GmbH. In ihm fanden sich Pferdehalter, Naturschutzvertreter und Biologen zusammen mit dem Ziel, datenbasierte Empfehlungen zu entwickeln, die es Pferdehaltern und Reitern ermöglichen, sich auf die Anwesenheit von Wölfen in ihrer Umgebung adäquat einzustellen. Darüber hinaus sollten Grundlagen für eine realistische Einschätzung des Gefahrenpotentials durch Pferde, die vor Wölfen fliehen in Bezug auf die Selbstverletzungsgefahr und verursachte Verkehrsschäden, erarbeitet werden.
Um dem wahrgenommenen Mangel an Wissen auf diesem Gebiet zu beheben, sind Antworten auf folgende Fragen zu suchen:
- • Wie verhalten sich Pferde, wenn sie im Gelände Wölfen begegnen?
- • Wie verhalten sich Wölfe bei der Begegnung mit Pferden im Gelände?
- • Gibt es spezielle Auslöser, die Pferde für Wölfe attraktiv machen?
- • Welche Arten von Abwehrverhalten zeigen Pferde gegenüber Beutegreifern?
- • Was löst bei Pferden eine panikhafte Fluchtreaktion aus?
- • Unter welchen Umständen verteidigen sich Pferde aktiv?
- • Hängt das Verteidigungsverhalten von der Zusammensetzung der Herde ab?
Im Vorfeld zu eigenen Forschungsansätzen, die Antworten auf diese Fragen bringen sollen, wurde zunächst Informationsbedarf zu diesem Thema bei der betroffenen Zielgruppe abgefragt. Die Sorgen der niedersächsischen Pferdehaltenden und Reiter wurden mittels eines standardisierten Fragebogens erhoben und ausgewertet (Groenemann, 2015). Dabei kamen eine Vielzahl spekulativer Annahmen zutage wie z.B. die weit verbreitete Annahme, Pferde würden auf Wolfsgeruch oder –Geheul schreckhaft reagieren oder aber dass Wölfe Pferd und Reiter jagen würden. Dies unterstrich die dringende Notwendigkeit, verlässliche Informationen hierzu aus realer Feldforschung zu erhalten. Zusätzlich wurde ein breiter Überblick über die bis dato zu diesem Thema publizierte Literatur erstellt, der einige der benannten Sorgen betrifft. Eine Zusammenstellung all dieser Punkte wurde als ein erster provisorischer Leitfaden für Reiter und Pferdezüchter als Broschüre des NABU veröffentlicht (NABU, 2015).
3. Feldstudien
3.1. Breliendamm
Um Daten von Wolf-Pferd-Interaktionen im Gelände zu erheben, war eine Pferdeweide in einem nachweislich von Wölfen durchstreiften Gebiet zu finden, auf der die Pferde nachts verblieben. Nach dem Abgleich von Daten bekannter Wolfsterritorien mit denen kooperativ eingestellter Pferdehalter wählten wir zwei Weiden am Breliendamm, nahe Meissendorf aus (Fig. 3 und Fig. 4). Anschliessend wurde 2016 eine Voruntersuchung zur methodischen Vorgehensweise geplant und durchgeführt, um eine geeignete Methode zur Erfassung des Verhaltens von Pferden und Wölfen bei Begegnung an und auf den Weiden zu entwickeln (Mersmann, 2017).
Hierzu wurden Wildkameras am Rande zweier Pferdeweiden installiert, die jeweils mit unterschiedlichen Pferdegruppen besetzt waren. Dabei wurden Kameras sowohl mit Blickrichtung in die mit drei-litzigem Standard Elektrozaun umschlossenen Weide als auch entlang der Weidegrenze ausgerichtet. Zusätzlich zeichneten GPS-Halsbänder die Bewegungen der Pferde auf. Dies ermöglichte weitere Auswertungen (z.B. ob sich die Pferde einzeln oder in Gruppen bewegten, unterschiedliche Geschwindigkeiten der Bewegungen unterschiedlicher Pferde, etc.). Die GPS-Bewegungsdaten wurden wöchentlich ausgewertet und den räumlich und zeitlich dazugehörigen Bildern der Wildkameras zugeordnet. Wann immer eine Kamera Wildtiere erfasste, wurden die dazugehörigen GPS-Daten auf zeitgleich stattfindende Änderungen im Bewegungsmuster wie Abstand zwischen den mit Sender versehenen Pferden oder Bewegungsgeschwindigkeiten analysiert (Vogel, 2019). Damit wurden Einblicke in das nächtliche Sozialverhalten der Herde, insbesondere bei Anwesenheit von Wildtieren gewonnen.
An Wildtieren wurden die folgenden Arten fotografisch erfasst: Rehwild (Capreolus capreolus), Feldhase (Lepus europaeus), Rotfuchs (Vulpes vulpes), Dachs (Meles meles), Iltis (Mustela putorius) und beide Marderarten (Martes foina, M. martes). Lediglich 11% der dokumentierten Wildtieranwesenheiten waren von messbaren Änderungen der Pferdebewegungen begleitet. Leider wurden aber während der gesamten Versuchsphase keine Wölfe an den Weiden erfasst, obwohl während der Vorbereitungsphase mehrere Wölfe von zwei der verwendeten Kameras aufgezeichnet worden waren (Fig. 4). Deshalb ist weitere wissenschaftliche Arbeit dazu vonnöten.
Fig. 3 Das Untersuchungsgebiet Breliendamm, Pferdeweiden in Rot.
Fig. 4 Wolfsrudel nahe Meissendorf. (Photo: camera trap by J.-R.Tilk, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben)
3.2. Terra Nova
Einen zweiten solchen Ansatz mit Wildkameras an besetzten Pferdeweiden unternahmen wir auf dem Gelände des landwirtschaftlichen Wirtschaftsbetriebs „Terra Nova“ nahe Elsterheide, Sachsen (Fig. 3a and 5). Neben Schafen und Rindern halt der Betrieb auch Pferde auf Weiden in einem ehemaligen Tagebaugebiet, das sehr weitläufige Flächen mit Savannencharakter umfasst. Territoriale Wölfe sind hier schon seit 2004 ansässig. Nach ersten Problemen, zumeist mit Schafen, die deshalb mit wirksamen Elektrozäunen geschützt werden müssen, funktioniert das Nebeneinander von Vieh und dem örtlichen Wolfsrudel weitgehend unauffällig. Dabei bilden erwachsene Pferde unterschiedlichen Geschlechts (Stute, Wallach, Hengst), Alters (2–21 Jahre), und aus unterschiedlichen Rassen (e.g. Kaltblut, Norwegisches Fjordpferd, Warmblut), gemischte, nicht-reproduktive Herden, die ganzjährig im Freien bleiben. Die Herdenzusammensetzung änderte sich während der Laufzeit der Kameras mehrfach: einige der Pferde waren die ganze Zeit über anwesend, andere (Pensionspferde) wurden ausgetauscht.
Fig. 5 Untersuchungsgebiet Terra Nova, Pferdeweide in Rot.
Von August 2017 bis Dezember 2018 wurden neun Wildkameras an vier verschiedenen Positionen angebracht. Dies geschah (zum Zweck der Identifikation der von den Wölfen genutzten Streifrouten) als Vorbereitung für später vorgesehene Forschungsarbeiten zunächst ad hoc (ohne vorher definiertes Protokoll). Damit entziehen sich die vorab erhobenen Befunde einer statistischen Überprüfung und müssen entsprechend vorsichtig interpretiert werden. Nichtsdestotrotz haben wir aus dieser Phase insgesamt 242 relevante Aufnahmen gewonnen, die mehrere Wölfe auf Wegen an den Weiden zeigen und vielfältige Hinweise auf deren Verhalten geben. Gleiches betrifft die auf den Bildern sichtbaren Pferde. Alle Wildkameraaufnahmen wurden von erfahrenen Beobachtern gesichtet (Wildtiere: T. Grüntjens, Säugetierverhalten: E.-H. Solmsen) und bewertet; hierbei wurde besonders auf agonistische Verhaltensweisen und erkennbare Zeichen für den emotionalen Status geachtet. Da diese opportunistischen Momentaufnahmen zumindest kleine Teile zu dem bislang weitgehend unvollständigen Puzzle (bezüglich der Frage „Wie verhalten sich Wölfe, wenn sie auf Pferde treffen?“ bzw. vice versa) liefern können, teilen wir unsere ersten vorläufigen Befunde hier.
Unsere Daten zeigen eine über das Jahr bimodale Verteilung der Anwesenheit von Wölfen nahe der Pferdeweiden. Zwischen April und August, sowie von Dezember bis Januar zeichneten die Kameras nur selten Wolfsbilder auf. Demgegenüber war die Bildausbeute mit erfassten Wölfen zwischen September und November sowie im Februar und März beträchtlich größer (Fig. 6). Wie erwartet, nutzten die Wölfe das Terrain überwiegend nachts und gelegentlich in der Dämmerung. Es gab aber auch fotografisch nachgewiesene Aktivität bei Tageslicht, überwiegend morgens. Die Anzahl der auf den Bildern erfassten Wolfsindividuen betrug zwischen einem und drei Tieren pro Bild; dabei konnten aber über den Abgleich von unmittelbar nacheinander aufgenommenen Fotos Gruppen von bis zu fünf Tieren sicher erkannt werden, die gemeinsam patrouillierten. Die größten Gruppen wurden im März, August und November erfasst (Fig. 7).
Fig. 6 Wildkamera Aufnahmen von Wölfen in der Nähe der Pferdeweiden sortiert nach Monat und Tageszeit.
Fig. 7 Gruppengröße der auf den Wildkamerabildern sichtbaren Wölfe pro Monat im Jahr.
Tagsüber allein passierende Einzelwölfe wirkten meist entspannt und waren offensichtlich nicht durch die Kameras irritiert. Dagegen wendeten die Tiere, wohl durch das Infrarot-Blitzlicht verursacht, nachts häufig den Kopf zur Kamera. Bis auf wenige Ausnahmen, in denen die erfassten Wölfe auswichen, setzten sie zumeist ihren eingeschlagenen Weg in gleicher Richtung fort (Fig. 8).
Wenn Wölfe bei der Annäherung an die den Pferdeweiden umgebenden Zäunen fotografiert wurden, dann taten sie dies sehr vorsichtig, wobei sie über ihre Körperhaltung sowohl Aufmerksamkeit als auch Fluchtbereitschaft signalisierten: Beine gebeugt, Ohren aufrecht nach vorn oder zurückgelegt, den Schwanz zwischen den Hinterbeinen nach vorn angelegt (Fig. 9). Die Gründe für diese Vorsicht sind nicht sicher interpretierbar – möglicherweise galt die Vorsicht dem Zaun selbst, es kann aber auch sein, dass sie sich vor einigen Pferden, die nach Angaben des Halters mehrfach aggressiv auf Hunde oder auch Füchse in der Weide reagiert haben, in Acht nahmen. Eine der Mitverfasserinnen dieses Artikels (A. Meyer) konnte sogar beobachten, wie ein Norweger-Hengst einen Fuchs tötete.
Tagsüber an den Weiden entlang patrouillierende Einzelwölfe zeigten keinerlei Anzeichen von Interesse an den auf den Weiden stehenden Pferden, wohingegen zumindest ein Pferd der Gruppe aufmerksam in die Richtung des vorbeiziehenden Wolfs blickt (Fig. 10).
Fig. 8 Drei Wildkamerabilder zum Verhalten vorbeiziehender Wölfe bei Terra Nova. (Photos: A. Meyer)
Fig. 9 Vier Kamerafallenbilder aus zwei Serien. Gezeigt wird ein einzelnes Tier, das sich einer Pferdeweide umschließenden Zaun von außen nähert. (Photos: A. Meyer)
Fig. 10 Kamerafallenbild eines Einzelwolfs, der einen Weg zwischen den Weiden entlangläuft. Im Hintergrund drei Pferde, eines davon (weiße Stute) hat den Kopf in Richtung Wolf gewandt. (Photo: A. Meyer)
4. Zusammenfassung und Empfehlungen
Unsere ersten Bemühungen, belastbare Daten zu Wolf-Pferd-Begegnungen zu gewinnen und auszuwerten, sind durch die Seltenheit solcher Ereignisse limitiert worden. In beiden Untersuchungsgebieten erwiesen sich Wölfe als sehr seltene Besucher der Pferdeweiden. Das reale Risiko, das Pferde zur Beute von ortsansässigen Wölfen werden, scheint gering zu sein. Wann immer Wölfe dokumentiert werden konnten, liefen sie an den Weiden entlang und zeigten keine erkennbaren Zeichen, die Pferde angreifen zu wollen.
Trotz alledem sind Wölfe - wie die bestätigten Schadensfälle aus Niedersachsen leidvoll zeigen - unter bestimmten Bedingungen durchaus in der Lage, Pferde zu töten. Es bedarf weiterer Untersuchungen, um mögliche Faktoren, die dies begünstigen, zu identifizieren. Da Wölfe überwiegend nachts jagen, ist eine dafür angemessene technische Ausrüstung, wie Nachtsichtausrüstung oder Wärmebildgebung Voraussetzung, um aufzudecken, was sich nachts tatsächlich an den Weiden ereignet.
Unter Berücksichtigung der hier beschriebenen Beobachtungen und unseren bisherigen Befunden, formulieren wir folgende Empfehlungen, um zu vermeiden, dass Pferde für Wölfe attraktiv werden:
- Zäune sollten in gutem Zustand sein (Fig. 11). Schadhafte unzureichende Zäune (Fig. 12) erlauben es Fohlen, sich unkontrolliert von ihren Müttern zu entfernen oder erschreckten Pferden panisch auszubrechen. Sind Wölfe in der Gegend, besonders wenn es sich um solche handelt, die bereits größeres Vieh angegriffen haben, empfehlen wir den Einsatz von wolfsabweisenden Elektrozäunen um im Freien weidende Pferde, insbesondere Kleinrassen, zu schützen.
- Pferde, die aggressives oder aktives Verteidigungsverhalten gegenüber Kaniden zeigen, so wie ein Norweger-Hengst auf Terra Nova (Fig. 13) können ggf. von patrouillierenden Wölfen gemieden werden. Wenn darüber hinaus Sorge besteht, dass Weidepferde auf Wölfe schreckhaft reagieren, kann das Zustellen von erfahrenen Tieren mit ruhigem Charakter, die nicht so leicht scheuen, die Herde stabilisieren (Keeling et al., 2016).
- Das unbewachte Abfohlen im Gelände sollte vermieden werden. Wenn die Nachgeburt nicht vom Halter oder der Stute selbst entfernt wird, kann dies eine ganze Gilde von Aasfressern anlocken – Füchse, Dachse und Raben, aber auch Wölfe. Wenn diese erst einmal die Nachgeburt als leichte Nahrungsquelle zu nutzen gelernt haben, könnten sie auch versuchen, Fohlen zu erbeuten.
- Wo immer möglich, schlagen wir vor, Pferde in gemischten Gruppen mit Tieren unterschiedlichen Alters und unterschiedlichem Charakter als auch mit beiden Geschlechtern zu halten mit dem Ziel, das oft abhanden gekommene natürliche, angeborene Verteidigungsverhalten zu stärken.
Fig. 11 Empfohlener wolfsabweisender Pferdezaun. (Photo: P. Schuette)
Fig. 12 unzureichende Einzäunung. (Photo: T. Gruentjens)
Fig. 13 Norweger Hengst auf Terra Nova. (Photo: T. Gruentjens)
Danksagung
Wir danken der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN), Uelzener Tierversicherung, dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU), dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem Worldwide Fund for Nature (WWF) Deutschland für administrative und finanzielle Unterstützung. Vor Ort in Terra Nova hat uns Mario Stenske den Kameraeinsatz ermöglicht, am Breliendamm hat uns Sonja Christiansen die Arbeiten auf ihrer Weide erlaubt, dafür sei beiden an dieser Stelle herzlich gedankt. Für wertvolle Rückmeldungen zum im CDPNews 23, Winter 2021 erschienenen englischen Manuskript, zusätzliche Expertise und Anregungen zu diesem Thema geht unser Dank an Silvia Ribeiro and Micha Herdtfelder.
Literatur
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