von Horst Brindel - VFD Fachbeirat Ethik und Tierschutz
Das Pferd ist eines der feinsinnigsten Tiere, mit denen der Mensch umgehen darf. Im Gegensatz zum ständigen Missbrauch waren Respekt und Demut des Menschen in beider Geschichte der Schlüssel zu einer ehrlichen Partnerschaft. Seit der Domestizierung hat die Natur das Pferd mit seinen Eigenschaften und Instinkten nur wenig verändert. Der heute notwendige Gesinnungswandel muss deshalb beim Menschen beginnen.
Dass neue Methoden es erlauben, die Persönlichkeit eines Pferdes in seiner individuellen Ausprägung, seinen Bedürfnissen und Reaktionen überraschend klar und vielschichtig erkennen zu können, ist die wichtige Erkenntnis aus aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Wir müssen unsere Sinne zukünftig noch bewusster einsetzen, um eine Pferdepersönlichkeit zu „lesen“.
Kriterien zum Exterieur und Interieur bilden die klassischen Beurteilungsgrundlagen. Insbesondere über „weiche“ Faktoren (Körperspannung, Gesicht, Augen, Ohren, Schweifhaltung) lassen sich Aussagen zum momentanen Befinden des Pferdes erhalten. Auch das sog. „Schmerzgesicht“, über das zuletzt Fachmagazine mehrmals berichteten, lässt sich gut lesen. Die Kriterien des HGS – Horse Grimace Scale – ermöglichen dies. Ein verkniffenes Mündchen, die angespannte Maulpartie mit einem hervortretenden Kinn, angespannte Nüstern und angespannte Kaumuskulatur zählen dazu ebenso wie das teilweise Schließen der Augen, die Muskelanspannung über den Augen und die steif nach rückwärts gerichteten Ohren bei fehlendem Ohrenspiel.
Konkrete Probleme bei der Würdigung der Pferdepersönlichkeit ergeben sich aus breit angelegtem Un- und Halbwissen um Zusammenhänge, die fehlende Bereitschaft zur Weiterbildung, besonders auch innerhalb der Kreise, für die das Pferd einfach nur zu „funktionieren“ hat sowie durch geschäftsträchtige Modeströmungen und falsche Vorbilder.
Die einzelnen Disziplinen des Pferdesports in Wettbewerb und Freizeit brauchen einen Wertewandel. Die Nutzung des Pferdes aus reinen Spaß- oder Erfolgsgründen und das Verlangen nach immer noch höher, weiter und schneller widersprechen in Verbindung mit überzogener Ausrüstung und unsensibler Reit- und Fahrweise völlig einem nachhaltigen Pferdewohl.
Von Respekt und Würde muss die Grundeinstellung zu unseren Equiden getragen sein. Ihr Wohlergehen aber beinhaltet nicht nur die Gesundheit, sondern besteht zu einem hohen Anteil aus ihren Emotionen. Diese sind für uns schwer zugänglich, doch kann die Interpretation der sog. „weichen Faktoren“ dabei Hilfestellung leisten: Denn das Wohlbefinden einer jeden einzelnen und einzigartigen Pferdepersönlichkeit muss unser Ziel sein.