Nun ist es endlich soweit, der Frühling hat Einzug gehalten und die Weidesaison kann beginnen. Für unsere Pferde, dessen Vorfahren Steppenbewohner waren, kommt die Weidehaltung den natürlichen Bedürfnissen am nächsten. Bis zu 16 Stunden am Tag verbringen unsere Vierbeiner mit der Nahrungsaufnahme auf der Weide und legen dabei so einige Kilometer zurück (je nach Bewuchs und Größe der Wiese). Auf diese Art der Nahrungsaufnahme (stetig kleinere Mengen faserreichen Futters) ist auch ihr Verdauungssystem ausgerichtet: große Kauflächen der Zähne zur optimalen Zerkleinerung langer Pflanzenteile, ein relativ kleiner Magen mit einem Fassungsvermögen von ca. 12 - 14 Litern (je nach Größe des Pferdes) und ein ausgeklügeltes Fermentationssystem im Dickdarm, welches in der Lage ist, pflanzliche Gerüststoffe (Cellulose) zu verdauen.

Also so schnell wie möglich raus auf die Weide? Vorsicht, denn der Verdauungstrakt muss sich erst auf das „neue“ Futter umstellen. Diese Umstellung sollte langsam erfolgen, damit es nicht zu negativen Folgen wie etwa Durchfall oder gar Kolik kommt. Zum Einen ist Gras recht wasserreich, so dass es den Verdauungstrakt schneller als Heu und Stroh passiert. Es kann zu Durchfall kommen oder schlimmer noch zu einer „Verstopfungskolik“, wenn sich nämlich noch teilverdautes trockeneres Futter im Darm befindet und die Passage des Grases behindert. Zum Anderen hat gerade das frische junge Gras einen relativ hohen Gehalt an Zucker, was zu Fehlfermentation im Darm und damit zu einer sogenannten „Gaskolik“ oder zu Hufrehe führen kann. Außerdem ist das Gras auf deutschen Weiden oft blatt- und energiereich, so dass es im Darm des Pferdes nicht so optimal verdaut werden kann, wie energiearmes, stark faserreiches „Steppengras“. Man sollte also damit beginnen, sein Pferd ca. 15 Minuten täglich 2 – 3 mal grasen zu lassen und die Zeitspanne stetig bis zu einigen Stunden erhöhen. Die Heuration sollte dabei nur langsam verringert und lieber Kraftfutter eingespart werden. Auch wenn die Pferde ganztägig auf der Weide stehen, sollte Heu oder Stroh zum Kauen angeboten werden.

Bevor es auf die Weide geht, ist die Gabe einer Wurmkur ratsam, da die Weide dann nicht gleich zu Beginn der Saison durch etwaige Wurmlarven-Ausscheidungen der Pferde kontaminiert wird und der Wurmbefall somit geringer gehalten werden kann. Auch an eventuell notwendige Impfungen sollte gedacht werden, z. B. an eine Tollwutimpfung in gefährdeten Bezirken oder an einen Influenza- oder Herpesschutz beim Zusammenstellen neuer Gruppen. Prinzipiell ist es sinnvoll, Wurmkur und Impfung wenn möglich so zu terminieren, dass die Gabe der Wurmkur ca. 10 Tage vor der Impfung stattfindet. Dann hat das Immunsystem weniger „Last“ mit den Parasiten und kann besser mit der Impfung umgehen. Die Impfung sollte mindestens zwei Wochen vor der Umstellung erfolgen, um den Körper nicht unnötig zusätzlich zu belasten.

Außerdem sollte bedacht werden, dass die Pferde sich zurzeit im Fellwechsel befinden und durch die verlängerte Tageslichtdauer und höhere Temperaturen die Hormonproduktion bei nicht kastrierten Tieren vermehrt angeregt wird. Der Stoffwechsel läuft also auf Hochtouren, was eine natürliche Belastung für den Organismus darstellt. Man sollte die Belastung durch das Reiten also moderat halten, wenn man bei dem schönen Wetter nach einer eher „reitarmen“ Zeit des Winters mal wieder längere Ritte machen möchte.

Auf jeden Fall ist eine Nahrungsergänzung mit einem guten Mineralfutter ratsam, da unsere Böden und damit auch das Gras und Heu nicht ausreichend Mineral- und Spurenelemente enthalten, um eine genügende Versorgung unserer Pferde zu erreichen. Ein Salzleckstein zur freien Verfügung sollte zusätzlich angeboten werden, damit die Pferde ihren Bedarf individuell decken können. Vorsicht bei jungen Tieren. Sie fressen manchmal regelrecht den Salzleckstein, dann muss er entfernt und nur kleine Stücke zur Verfügung gestellt werden.

Wer möchte, kann die Darmflora und die Stoffwechselleistung seines Pferdes auf natürliche Weise durch die Gabe von Kräutern oder Pflanzenextrakten unterstützen. Bei Pferden mit empfindlichem Verdauungssystem, alten oder kranken Tieren ist dies sehr zu empfehlen.

Vielleicht konnte ich mit diesen Tipps ein wenig zum Wohlbefinden Ihres Pferdes beitragen.

Ihre Silke Licht, Tierärztin, BorkenSilkeLicht

 

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