Die Wettervorhersage verhieß nichts Gutes: Schauer, Wind, wenig Sonne und Temperaturen um die 10 Grad. Das war man ja gar nicht mehr gewöhnt nach so vielen Monaten Wärme. Aber keiner ließ sich abschrecken. Was warm hielt, wurde angezogen und los ging es nach Dormagen-Delrath auf das großzügige Fahrgelände der Fahrsportfreunde Neuss. Nach langer Vorbereitung durch den Fahrbeauftragten NRW und Fahrlehrer Udo Lange fand am 15. Oktober für die Übungsleiter Fahren und weitere Fahrsportinteressierte der praktische Teil der Fortbildung „Ungarisch Fahren“ statt.
Das Ungarisch Fahren unterscheidet sich vom englischen Fahrstil bzw. dem Fahren nach den Grundsätzen von Benno von Achenbach, welches in unserer Ausbildung vorherrscht, vor allem durch die Handhabung der Fahrleinen, also der Leinengriffe. Allerdings sind Elemente der ungarischen Fahrweise inzwischen auch bei uns mit dem Zweihandsystem im Fall des vierspännigen Fahrens durchaus üblich.
Josef Schrallhammer, Pferdewirtschaftsmeister und Fahrlehrer aus Bayern und Experte für das Ungarisch Fahren, hatte uns im September via Zoom theoretisch vorbereitet. Aufgrund der Distanz reiste Josef schon am Freitag an, so dass Udo Lange die Gelegenheit nutzen konnte, mit ihm das Grab von Benno Franz Ludwig von Achenbach in Düsseldorf zu besuchen, der am 12. Oktober 1936 in Berlin verstarb.
Jetzt also der Praxistag. Zuerst ging es für alle an das Fahrlehrgerät. Für die Fahrlehrer und Übungsleiter Fahren war das ein schon lange nicht mehr gekanntes Gefühl, auf der „Schüler“-Seite zu stehen und konzentriert zu versuchen, die demonstrierten Griffe nachzuvollziehen.
Mit unendlicher Ruhe und Geduld erklärte Josef Schrallhammer die Handhabung und übte es so lange, bis es alle konnten. Auch wenn die Begriffe dieselben sind (Grundhaltung, Gebrauchshaltung, Dressurhaltung, Verkürzen, Verlängern, Kehrtwendung), so ist die Handhabung schon anders. Und dann ging es auf die Gespanne. Vier Zweispänner waren vor Ort, wobei Maxine Glasmacher ihre Mulis auch noch vierspännig anspannte. Josef Schrallhammer setzte sich zu jedem Fahrer auf den Beifahrersitz. Dabei hatte er nicht nur ein Auge auf unsere Leinenführung, sondern achtete auch darauf, wie die Pferde liefen, ob die Einstellung der Leinen passend war oder ob es sogar technische Dinge an der Kutsche zu verändern galt. Dieser „ganzheitliche“ Blick war mit einer unendlichen Ruhe, Geduld und Konzentration verbunden. Jeder von uns hat viel Neues dabei mitgenommen.
Zum Schluss hat sich jeder das Fahrkompendium, welches Josef Schrallhammer zusammen mit Horst Brindel, u.a. ehemaliger VFD Bundesfahrbeauftragter, herausgegeben hat, mitgenommen, auf unsere Bitte hin persönlich signiert, um alles noch mal in Ruhe nachlesen zu können.
Sehr durchgefroren und erschöpft, aber zufrieden ging für alle ein voller Tag zu Ende mit dem Wunsch einer Wiederholung im nächsten Jahr. In der Zwischenzeit wird man die ungarische Fahrweise beim eigenen Fahren einfach mal öfters ausprobieren. Wir könnten sie sogar in der VFD Fahrausbildung lehren, denn in der Ausbildungs-und Prüfungsordnung (ARPO) ist die Fahrweise nicht vorgeschrieben, aber dazu müssten wir selbst erst mal doch noch viel lernen.