Es ist wieder soweit: die Zeit der Karnevalsumzüge ist gekommen, und mit ihr einhergehend stellt sich der Öffentlichkeit die Frage, ob Pferde daran teilnehmen sollten. Leider kommt es auf den Umzügen vereinzelt auch zu Schäden an Menschen und Pferden.
Dabei sind Tiere auch durch unreflektiertes Verhalten von Teilnehmern am Umzug außer Kontrolle geraten. Nicht vorhandenes Wissen über pferdetypisches Verhalten und durch menschliches Fehlverhalten verursachtes menschliches und tierisches Leid.
Rund 98 % aller Unfälle mit Pferden entstehen durch menschliches Fehlverhalten; ähnlich ist es wohl bei Autounfällen. Um Verbesserungen zu erreichen, müssen die Ursachen dafür gefunden und soweit wie möglich abgestellt werden. Beste Grundlage hierfür ist eine seriöse und solide Ausbildung von Pferd und Mensch. Nicht nur dies: in früheren Zeiten waren Pferde aus dem öffentlichen Leben als Mobilitätsspender nicht weg zu denken; Grundzüge über das Wissen ihres Verhaltens waren jedem gegeben.
Fachliches Wissen und Können sind neben gelebtem Tierschutz unabdingbar zur Erhaltung des Kulturgutes Pferd. Und genau darum geht es auch bei den Brauchtumsumzügen: sie sind nicht für das Pferd, aber ohne Pferd fehlt ein Stück Tradition. Diese Tradition zu bewerten, auf ihre mögliche Gefährdung für die Tiere einzuschätzen und ggf. darauf zu verzichten, sollte Grundlage im Tierschutz sein.
Dabei ist das Brauchtum zum Pferd, wie z.B. Leonhardi-Ritte oder Pferdesegnungen sicher anders zu bewerten als der Einsatz von Pferden auf Massen-Veranstaltungen.
Das Kulturgut Pferd zu bewahren bei bestmöglicher Reduzierung des Restrisikos ist Teil des Bestrebens der VFD. Das Angebot einer soliden Ausbildung von Zwei- und Vierbeinern sowie Informationen über pferdetypisches Verhalten der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen – und ggf. auf den Einsatz der Pferde zu verzichten.
Die Stadt Köln hat nach Protesten verschiedener Tierschutz-, aber auch Tierrechts-Organisationen 2021
"Leitlinien zum Umgang mit Pferden beim Einsatz in Karnevalsumzügen407.01 kB" herausgegeben.
Hierin heißt es u.a.: "Denn Brauchtumspflege darf natürlich nicht zu Lasten der Tiere gehen. Pferde, die bei Festumzügen im Karneval eingesetzt werden, sind einer Reihe von außergewöhnlichen Umweltreizen ausgesetzt, die bei dem „Fluchttier“ Pferd zu einer tierschutz- und sicherheitsrelevanten körperlichen und psychischen Belastungsreaktion führen können. Diese gilt es bestmöglich zu vermeiden oder zu minimieren."
Auch die TVT – Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. – kommt in ihrem 2016 veröffentlichten
"Merkblatt Nr. 147 zur Nutzung von Pferden bei Festumzügen276.49 kB" zu folgendem Fazit:
"Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Ausbildung und Gewöhnung der Pferde sowie die individuelle Eignung neben der Qualifikation des Reiters bzw. Fahrers Schlüsselkriterien für den tierschutzgerechten Einsatz von Pferden in Festumzügen sind. Außerdem muss der Einsatz sorgfältig geplant sein und für eventuelle Notfälle muss Vorsorge getroffen werden."
Betrachtete man in der Vergangenheit manche Reiter*innen auf ihren Pferden inklusive Prunkgeschirr, Pauken oder Stafetten, kommt sicher dem einen oder anderen Zuschauer auch der Gedanke "wieviel ein Pferd eigentlich tragen kann".
Der VFD Fachbeirat Erik und Tierschutz hatte 2019 in den "Positionspapieren zur Tragkraft von Pferden" folgende „Hardskills“- nicht beeinflussbare Faktoren – festgelegt:
• Das Gewicht des Menschen muss zur Tragfähigkeit des Pferdes passen – wiegt der Reiter (inklusive Ausrüstung) mehr als 20% des Idealgewichtes* des Pferdes muss ein besonderes Augenmerk auf eine mögliche Überlastung des Pferdes gelegt werden.
• Exterieur und Größe des Pferdes sind maßgeblich für die Traglastgrenze.
• Ein Quadratpferd kann im Verhältnis zu seinem eigenen Körpergewicht mehr Gewicht tragen als ein Rechteckpferd derselben Größe.
Der Ausbildung im gewerblichen Fahren – zum Beispiel bei Festumzügen – hat die VFD 2019 gemeinsam mit der FN das Fachbuch "Gewerblich fahren mit Pferden – der sichere Weg" gewidmet.
In diesem Fachbuch geht es um den Einsatz von Pferden beim gewerblichen Fahren unter Aspekten des Tierschutzes und der rechtlichen Situation. Zielgruppe sind insbesondere Gespannfahrer/innen, die sich mit Ihrem Gespann unter gewerblichen Voraussetzungen im öffentlichen Straßenverkehr bewegen. Näheres zu dem Buch unter diesem *Link*
Damit wir uns auch in Zukunft noch an lieb gewonnenen Traditionen erfreuen können.
Veröffentlicht: 01. März 2019 – Update 08. Februar 2024