Ausgezeichnet mit dem Preis „Eiserner Gustav“ 2020 in der Kategorie Säumen durch die Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland
Ein beispielhaftes Projekt der nachhaltigen Hüttenversorgung - Inspiration für den bemerkenswerten Dokumentarfilm „A dorso di mulo“ („Auf dem Rücken eines Muli“) von Elena Gagliano
Protagonisten dieser Geschichte sind die als Tragtiere eingesetzten Mulis Ketty, Kira und Dea, ihr unermüdlicher Führer („mulattiere“) Luciano Ellena sowie die Initiatoren Paolo und Marco Giraudo, Wirte („gestatori“) der Schutzhütte Morelli Buzzi im oberen Gesso-Tal.
Förderer des beispielhaften Projektes sind die Naturparkverwaltung Alpi Marittime und der Europäische Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Die Mittel stammen aus dem Projekt „Piter Alpimed Climate“ für grenzüberschreitende Dienstleistungen in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung gegen den Klimawandel.
Regisseurin Elena Gagliano veranlasste dieses wichtige Thema zu dem Film „A dorso di mulo“ („Auf dem Rücken eines Maultiers“). Darin denkt sie darüber nach, wie wichtig ein Sprung in die Vergangenheit sein kann, um die Zukunft positiv zu verändern. Ihr daraus resultierendes Motto lautet: „Un salto nel passato per cambiare il futuro.“
Der sehr gelungene Dokumentarfilm wurde 2020 im italienischen Fernsehen ausgestrahlt. In eindrucksvollen Bildern zeigt Elena Gagliano den Weg der Tragtiere und ihrer menschlichen Begleiter auf ursprünglichen Säumerpfaden in den traumhaften Landschaften der Alpi Marittime. Der „mulattiere“ und die „gestatori“ kommen in dem Film ebenfalls zu Wort.
Auf Initiative des österreichischen Säumers Albert Schweizer soll in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VFD e. V.) nun auch eine deutsche Fassung dieses Films erstellt und in der ersten Hälfte 2021 veröffentlicht werden.
Wegweisende Entscheidung für eine nachhaltige Hüttenversorgung in den Alpen: Tragtiere versus Helicopter
Bereits im Sommer 2019 hat die Verwaltung des Naturparks Alpi Marittime aufgrund der zunehmenden klimabedingten Herausforderungen an unsere Gesellschaft wegweisende Entscheidungen zur Versorgung von Schutzhütten getroffen, mit deutlicher Reduzierung der umweltbelastenden Verwendung von Helikoptern. Die Lösung des Problems fand sich in der Rückbesinnung auf vergangene Zeiten mit dem bewährten Einsatz von Tragtieren.
Sieben Hütten werden seither mit Hilfe von Mulis regelmäßig versorgt: Bianco, Bolzano, Ellena-Soria, Morelli Buzzi, Questa, Pagari und Remondino.
Die Vorteile der regelmäßigen Versorgung der Schutzhütten vor allem mit frischen und regionalen Lebensmitteln durch Tragtiere zeigten sich auch, ja gerade unter den erschwerten Verhältnissen infolge der gravierenden Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf den Bergtourismus. Der stark rückläufigen Zahl von Übernachtungen in den Hütten stand ein exponentieller Anstieg von Tageswanderern gegenüber, mit entsprechender Nachfrage nach gehobener und gesunder Verköstigung.
In über vierzig Einsätzen haben die sanften Mulis Ketty, Kira und Dea mit ihrem Führer Luciano Ellena die nachhaltige Versorgung der Hütten bis in große Höhen sichergestellt. Ihr Vorteil im Vergleich zu kostenintensiven und umweltbelastenden Hubschraubereinsätzen wurde dabei deutlich. Mit der regelmäßigen Lieferung kleinerer Mengen konnte den Bedürfnissen der Hütte angemessen entsprochen sowie besondere Nachfragen und Wünsche berücksichtigt werden. Außerdem bilden die Tiere auf dem Weg wie auf den Hütten eine zusätzliche Attraktion für die Wanderer.
Die Wirtschaftlichkeit von Hubschraubereinsätzen ist dagegen lediglich bei der Anlieferung großer Mengen zur Grundversorgung, die einer angemessenen Bevorratung bedarf, gegeben und ökologisch nur in Ausnahmen vertretbar.
Aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und der zunehmenden Herausforderungen hinsichtlich des Umwelt- und Klimaschutzes ist davon auszugehen, dass sich der Trend zu einem ökologisch und nachhaltig orientierten Tourismus weiter fortsetzen wird.
Engagement für Nachhaltigkeit und für achtsame Wahrnehmung von Natur und Tieren als Partner des Menschen
Dieses besagte Pilotprojekt wurde bereits 2019 von den Brüdern Marco und Paolo Giraudo gestartet. Neben der Gewährleistung der Versorgung ihrer Schutzhütte Morelli Buzzi ist ihnen eine achtsamere Wahrnehmung des Zusammenwirkens von Mensch, Tier und Natur ein großes Anliegen: „Die Wiederentdeckung des Tragtieres als Begleiter des Menschen in den Bergen hat die Entwicklung eines neuen Umweltbewusstseins zur Folge, das immer dringender gebraucht wird.“
Gefahren entgegenwirken
Zusätzlich zu den globalen Herausforderungen der Umwelt- und Klimabelastungen wird die noch weitgehend unberührte Region der Alpi Marittime zunehmend als Motocross-und Mountainbike-Gelände genutzt ─ mit gravierenden Folgen für die Natur.
Die effektivste Maßnahme gegen die Ausbeutung und den Missbrauch von Natur und Landschaft ist die Förderung des ökologischen Tourismus, wie sie von Luciano Ellena und den Gebrüdern Giraudo mit beispielhafter Naturverbundenheit, italienischer Gastfreundschaft sowie menschlicher Offenheit und Unvoreingenommenheit gelebt wird.
Anerkennung durch die Verleihung des internationalen VFD-Preises „Eiserner Gustav”
Dieses bemerkenswerte Engagement für die Umwelt blieb auch über die Grenzen Italiens hinweg nicht unbeachtet. Die Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VFD e. V.), die sich auf die partnerschaftliche Nutzung von Pferden und deren Artverwandten als Reit-, Zug-und Transporttieren einsetzt, hat gegenüber den piemontesischen Initiatoren des Projektes ihre Anerkennung durch die Verleihung des „Eisernen Gustav“ zum Ausdruck gebracht. Sie erfolgte am 22. Oktober 2020 im Rahmen der Vorstellung des Dokumentarfilmes in den Räumlichkeiten der Verwaltung des Naturparks Marguareis in Chiusa di Pesio.
Als Vertreter der VFD waren Björn Rau und Josef Schrallhammer angereist, gemeinsam mit dem Preisträger des Vorjahres, Albert Schweizer. In seinem einleitenden Redebeitrag stellte Josef Schrallhammer die VFD wie auch den Namenspatron des Preises vor – Gustav Hartmann alias „Eiserner Gustav“ alias „Gustavo di ferro“. Schrallhammer erläuterte die Bedeutung dieses Preises und präsentierte auch noch einmal die Gewinner des Vorjahres.
Als einer von ihnen, hielt Albert Schweizer die Laudatio auf Luciano Ellena und die Gebrüder Giraudo. Wir haben sie nachfolgend abgedruckt.
Björn Rau wies in seiner Ansprache auf die ökologische Bedeutung des Einsatzes von Saumtieren hin und verlieh seinem Wunsch nach Vernetzung unter den Säumern Ausdruck. Anschließend übergab er die Urkunden, einen Förderbetrag von 500 Euro, die limitierten Linolschnitte sowie eine handgeschmiedete Eisenskulptur, die beide den legendären Droschkenkutscher darstellen. Die Verleihung erhielt von den zahlreichen Gästen regen Applaus und wurde von den Preisträgern mit erkennbar hoher Wertschätzung entgegengenommen.
Ein beispielhaftes Projekt der nachhaltigen Berghüttenversorgung: Förderung und Verbreitung durch Netzwerkbildung
Am 23. Oktober empfing dann der Präsident der Schutzgebiete der Seealpen die Vertreter der VFD, die gegenüber dem Projekt ihre Anerkennung zum Ausdruck brachten: „Wir hoffen, dass andere Organisationen ihrem Beispiel folgen.“
In der Tat ist dieses Projekt ein Vorbild in unseren schwierigen Zeiten: für die Annäherung des Menschen an die Natur mit einer Vision, die nicht mehr von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen bestimmt ist, sondern vom Teilen von Werten zum Vorteil aller. So gut sie es können, haben die Maultiere der Seealpen den Weg hierfür geebnet.
Aufgrund ihres Einsatzes für dieses Pilotprojekt haben Paolo und Marco Giraudo bereits den Wettbewerb „Il clima cambia, cambiamo anche noi“ („das Klima verändert sich, verändern wir uns auch“) gewonnen. Damit verbunden ist eine finanzielle Unterstützung durch den Naturpark Alpi Marittime und das Alcotra CClimaTT-Projekt bei der nachhaltigen Versorgung weiterer Schutzhütten in diesem Gebiet durch Saumtiere.
Während ihres mehrtägigen Aufenthaltes erlebten Björn Rau, Josef Schrallhammer und Albert Schweizer beispielhafte italienische Gastfreundschaft und einen intensiven Austausch von Informationen unter Säumern, ganz im Sinne des „Eisernen Gustav" und des nach ihm benannten Preises.