Maggies erster Wanderritt

oder was ein Wanderreitpferd alles können und aushalten muss.

Maggie
Normalerweise reitpfeifenden Wind gefrorene ich eine stämmige Araberstute namens Pia, die jetzt, im reiferen Alter von 12 Jahren richtig Spaß macht. Abgebrüht und ruhig, trotzdem sehr fein auf die reiterlichen Hilfen reagierend, hat sie mich auf vielen Ritten begleitet. Leider hat sie seit einiger Zeit ein Problem damit, mit dem linken Hinterbein Gewicht aufzunehmen. Kein Tierarzt oder Osteopath konnte bisher helfen, oder das Problem auch nur näher einkreisen. Wie jedes Jahr, stand aber unser Herrenritt am Anfang Oktober auf dem Plan und ich brauchte ein Pferd.


Gerade in diesem Jahr, haben wir einige unserer Pferde verkauft. Eigentlich wollten wir Maggie auch abgeben, doch sie ist ein Kraftpaket, das auch kontrolliert werdetn will. Da die meisten Kaufinteressenten aber ein braves und abgeklärtes Pferd erwarten, hatten wir für Maggie noch nicht den richtigen Käufer gefunden. Für meine Gewichtsklasse von 85 kg + Gepäck blieb zum diesjährigen Herrenritt also nur eine Wahl und das war sie.
Maggie ist eine gerade fünfjährige Quarter-Araber Mix Stute. Unsere Bereiterin hatte sie im letzten Frühjahr angeritten. Leider gingen wir kurz darauf getrennte Wege und Maggie lungerte seitdem nur noch auf der Weide herum. Die kernige Kraft und Beweglichkeit des Quarters (aus einer bekannten Cuttinglinie) und die geistige Beweglichkeit des Arabers vereinen sich hier zu einer explosiven Mischung, die dem guten Reiter Freude macht, dem faulen Gelegenheitsreiter aber einige Chuzpe abverlangt.

Da ich mich mangels Zeit aktuell eher zur zweiten Riege zähle, dachte ich mir, den ersten Spaß überlasse ich einem Profi und fragte unsere beste Freundin Dagmar Breitbach, ob sie mir Maggie vor dem Herrenritt ein wenig kultivieren könne. Dagmar bildet schon viele Jahre Pferde und Hunde aus und ist VFD und VDH Übungsleiter. In der VFD vor allem bekannt als Reitbegleithundeausbilderin und Verladespezialistin, bildet sie aber vor allem junge Pferde aus und korrigiert reiterliche Probleme bei den älteren. Ich kenne keine bessere, aber leider wissen das mittlerweile ziemlich viele Leute und deshalb ist es schwer bei ihr einen Termin für ein Pferd zu bekommen. Obwohl ich mich schon im späten Frühjahr mit ihr darüber unterhielt, bekam ich für Maggie nur vier Wochen, unmittelbar vor dem geplanten Wanderritt, der am 03.Oktober starten sollte.
Maggie war vor allem dick und trotzdem voller Unruhe und Bewegungsdrang. Ein „zu dickes Muskelfass in Ballettschühchen“ war die Bezeichnung, die meiner Frau bei ihrem Anblick als erstes einfiel. Das kurze Anreiten hatte bezüglich der Hilfen, der Disziplin und der Steuerbarkeit noch vieles zu wünschen übrig gelassen. Dagmars Aufgabe war es jetzt, die Beweglichkeit und die Sensibilität auf die Hilfen, vor allem die Schenkelhilfen, intensiv zu trainieren, damit Maggie im Gelände für mich auch gut ansteuerbar und bei zu erwartenden Geländeschwierigkeiten gut manövrierbar sein konnte. Zudem würde durch das tägliche Reiten auch überflüssiger Speck beseitigt, Maggies Bewegungsdrang bedient und ihre Kondition erhöht. 

 

Der Herrenritt
Ach ja, DER Wanderritt! Einmal im Jahr findet unser „Herrenritt“ statt. Wir vier Herren, Hanspeter, Johannes, Josef und ich, verstehen uns seit etlichen Jahren sehr gut und gehen jedes Jahr Anfang Oktober eine Woche auf einen entspannten Wanderritt.
Je nach den zeitlichen Möglichkeiten steigt der ein oder andere erst später ein, oder auch früher aus. Die Verantwortung für die Organisation der Stationen, die Streckenplanung und die Führung auf dem Ritt geht reihum. Am Ende des Rittes besprechen wir immer, wohin wir im nächsten Jahr wollen. Manchmal ergreift uns die Sehnsucht nach etwas weiter weg liegenden Gegenden. So waren wir schon im Elsass, im Steigerwald, in der Pfalz oder im Weserbergland. Unsere eigenen Mittelgebirgslandschaften Eifel, Westerwald, Taunus und Hunsrück haben wir natürlich auch schon besucht.
Dieses Jahr sollte es ganz traditionell wieder mal in den Hunsrück gehen. Josef hat Familienbande dort und ich habe in meiner Kindheit und Jugend viel Zeit im dort liegenden Jagdrevier meines Großvaters verbracht.
Der diesjährige Ritt stand unter dem Motto: „ Auf den Spuren des Schinderhannes“. Doch dazu später mehr.
Die, in diesem Jahr von Josef geplante Route startete an der Hierer Mühle im Ehrbachtal zwischen Buchholz und Brodenbach an der Mosel gelegen, ging über das Baybachtal nach Schnellbach. Von dort ging es nach Panzweiler und über Sonnschied, wo wir einen Tag für eine Erkundung der regionalen Sehenswürdigkeiten einlegten. Dann nach Weiler bei Monzingen/Nahe und über Womrath und Simmern zurück nach Schnellbach, wo wir die Pferde wieder verladen und nach Hause fahren wollten. Insgesamt beträgt die geplante Strecke ca. 240 km, die längste Tagesetappe war die von Panzweiler nach Sonnschied, die ca. 43km lang war. Die Stationen mit ihren Adressdaten habe ich am Ende des Artikels eingefügt.
Das Verladen von Maggie war kein größeres Problem. Beim Abholen von Dagmars Stall habe ich sie sogar alleine verladen. Das ging natürlich nicht von selbst, aber es war trotz Zögerns von Maggie in 10 Minuten geschehen. Bisher hat sie bei jedem weiteren Verladen erst unwillig gezögert, ist aber dann doch reingegangen. Da ich oft alleine verladen muss, werde ich noch des Öfteren mit Geduld und Zeit zu Hause üben, damit sie das Zögern verliert und sich am Ende gerne in den Hänger schicken lässt.

Sonntag, 1. Tag
Wir starteten von der Hierer Mühle im Ehrenburgertal, das sich vom Bopparder Ortsteil Buchholz bis nach Brodenbach an der Mosel zieht. Als wir, meine Frau und ich eintrafen, war Josef schon da und aß schon eine Forelle. Es waren etliche Reiter in der Mühle. Bei dem herrlichen Wetter war das ja klar. Da wir uns auch auf eine Forelle freuten, luden wir Maggie aus und banden sie unweit der anderen Pferde an einen freien Baum.

Disziplinpunkt: Anbinden
Das ideale Wanderreitpferd muss sehr lange ruhig angebunden stehen können. Es ist schon vorgekommen, dass Wanderreiter kein Nachtquartier gefunden haben und auch keine Einzäunungsmöglichkeit dabei hatten. Dann muss das Pferd auch mal über Nach angebunden stehen können. Wenn man bedenkt, dass die Pferde früher in Ständern standen, ist das im absoluten Notfall für eine Nacht überhaupt kein Problem.

Sie benahm sich sehr gut, stand erstaunlich ruhig und gelassen am Baum.
Kurz nach uns traf auch Hanspeter ein. Wir trafen mit dem Wirt ein Arrangement, das uns erlaubte unsere Gespanne auf eine kleine Wiese zu stellen und dort für die Zeit unseres Rittes zu parken. Johannes hatte sich entschuldigt, er konnte zeitlich erst am Mittwoch zu uns stoßen. Leider waren die Forellen mittlerweile aus, aber das war nicht so schlimm, wir hatten ja das warme Abendessen im Haus am Schnellbach vor uns. Wir banden die Pferde also an die Hänger und sattelten. Josef war schon von Nörtershausen zur Hierer Mühle geritten. Sein Haflinger Marco, war deshalb schon fertig „angezogen“ am Baum angebunden.

Marco am Baum
Da wir unser Gepäck immer vollständig am Pferd mitnehmen, war Maggie beladen mit zwei großen Vorderpacktaschen für die Gebrauchsgegenstände beim Reiten, zwei Hinterpacktaschen mit wasserdichten Innentaschen aus dem Outdoorgeschäft für die Kleidung. Darauf ein Mantelsack von Ortlieb mit einer winddichten Jacke, unserem, in dieser Jahreszeit unverzichtbaren VFD Poncho und einem Pullover. Darauf geschnallt, noch eine dünne Regendecke fürs Pferd, falls es nach Regenwetter aussehen sollte und wir mal keine Boxen oder überdachte Paddocks bekommen können.
Dann viel mir ein, das meine Frau ja nach unserem Abritt mit dem Auto, ohne Anhänger, nach Hause fährt und ich lud die Regendecke und den Mantelsack ins Auto. Meine Frau übernahm es gerne, die Sachen nach Schnellbach zu bringen. Meine beiden Gefährten taten es mir nach und wir freuten uns, dass dadurch die erste Etappe des Wanderrittes für die Pferde ein wenig erleichtert war. Man muss dazu wissen, dass Maggie bis dahin nur ein sehr kurzes Gastspiel bei Dagmar mit einem kleinen Bundeswehrponcho hatte. Sie hatte noch nie Packtaschen auf dem Rücken gesehen oder gar den riesigen, zeltähnlichen VFD Poncho erlebt.
Maggie hat von Anfang an hervorragende Voraussetzungen für ein Wanderreitpferd gezeigt. Sie macht mittelgroße Schritte mit einer Frequenz die für einen ordentlichen Schritt von bis zu 7 km/h (nach GPS) ausreicht. Dabei kann man davon ausgehen, dass sie mit fortschreitendem Alter noch ein wenig an Schrittlänge zulegen kann. Kurzfristig hält sie auch einen schnelleren Schritt mit, wenn sie neben einem der schnellen Schritt gehenden Pferde läuft und von diesem durch die natürliche Konkurrenz mitgezogen wird.
Wesenspunkt: ordentlicher Schritt
Das ideale Wanderreitpferd sollte von Haus aus vernünftig ausschreiten und gerne vorwärts gehen. Junge Pferde gehen oft noch etwas langsamer, auch weil sie anfänglich nach allen Seiten sichern, neugierig um sich schauen und dabei vergessen taktvoll vorwärts zu gehen. Unter dem positiven Einfluss des Reiters sollte sich das aber bald geben. Ebenfalls wichtig ist die Temporegulierung. Ein problemloses Wanderreitpferd sollte in der Lage sein langsamer, oder auch etwas schneller zu gehen, als es seinem normalen Tempo entspricht. Das kann einerseits wegen unwegsamem Gelände, oder auch aus Anpassungsbedarf an eine Reitergruppe notwendig sein.
Und das Ganze bitte ohne sich aufzuregen oder ständig anzutraben. Zugegebenermaßen bei manchen Pferden eine große Herausforderung für den Reiter.


Sie hat sich schnell mit den anderen Pferden angefreundet und war, für eine Stute, nur in Maßen zickig. Dies zeigte sich in den ersten Tagen durch hie und da zurückgelegte Ohren, oder auch mal kleinere Beißattacken gegen Leo, den sie offenbar besonders gut leiden mochte. Typisch Frau, ääh Stute eben. Sie ist in allen drei Gangarten in der Geschwindigkeit gut regulierbar und zeigt keinen Ehrgeiz Erster zu sein, oder an den anderen vorbei zu wollen. Sie kann einen sehr schnellen Trab gehen. Er ist bis zu einem mittlerem Tempo auch sehr gut auszusitzen.  Der Galopp wird bei uns in der Bahn erst geritten, wenn eine gute Biegsamkeit vorhanden ist und auch die Seitengänge im Trab schon gut sitzen. In unserer kleinen 15x30m großen Halle müssen die Pferde schon eine vernünftige Blalance haben, wenn sie ohne Schwierigkeiten Bahnfiguren galoppieren sollen.
Schon am ersten Tag hat Maggie mit den beiden anderen Kollegen aus einer Pfütze getrunken – und das gleichzeitig.

Herrenritt 2011, Maggies erster WRWesenspunkt: Trinken bei jeder Gelegenheit

Es gibt Pferde, die bezüglich der Wasseraufnahme pingelig sind. Manche trinken erst, wenn sie kurz vor dem Verdursten sind, oder wenn die Bedingungen für sie ideal sind. Jede Störung, jede andere Wasserqualität als die gewohnte werden erst einmal abgelehnt. Das ist sehr schlecht. Ein Wanderreitpferd sollte jede Gelegenheit nutzen, die Flüssigkeitsvorräte aufzufüllen. Wer weiß, wann es das nächste Wasser gibt. Trinken aus Brunnen, Pfützen oder fließenden Gewässern, sollte für das erfahrene Wanderreitpferd kein Problem darstellen.

Superlustig zuzusehen, wie der Wasserstand der kleinen Pfütze rapide sank, während drei, mehr oder weniger große Köpfe sternförmig darin stacken.
Maggie hatte zum ersten Mal die Satteltaschen auf dem Rücken. In den hinteren Packtaschen habe ich alles, was ich in der Station für mich benötige, wie Kleidung und Waschzeug. So brauche ich nach dem Absatteln immer nur diese Taschen mit in die Station zu nehmen. Leider hatte ich vergessen, an der einen Tasche den Riemen für den Bauchgurt reparieren zu lassen, der mir vor einiger Zeit mal abgerissen war. Auf der einen Seite wäre der Bauchgurt natürlich auch etwas „Neues“ für Maggie gewesen, auf der anderen Seite konnten die Satteltaschen jetzt natürlich erheblich mehr an die Seiten klopfen.

Herrenritt 2011, Maggies erster WRDisziplin: Ertragen von Gewicht und Geklopfe auf Kruppe, Hintern und den Seiten

Das Wanderreitpferd muss mit Ruhe ertragen, dass alles mögliche es berühren kann. Ein runterhängender Strick am Bein, die Satteltasche die im Galopp gegen die Seiten schlägt, ein Kleidungsstück oder die Pferdedecke, die sich löst und auf den Hintern rutscht. Das alles darf kein gutes Wanderreitpferd aus der Ruhe oder gar in Panik bringen.

Im Schritt klopfte ich ab und an auf die Satteltaschen. Jedes Mal erschreckte sich Maggie, aber sie reagierte darauf, blieb aber immer kontrollierbar. Dasselbe galt für das Aufklappen der Vorderpacktaschen und dem Herausholen von Gegenständen oder gar knisternden Papierchen.
Unser erster Trab war dann natürlich ein lustiges „Vorwärts“. Maggie wusste natürlich erst einmal nicht, wie sie damit umgehen sollte. Mit Marco und Leo hatte ich ja hier zwei Vollprofis dabei, die kein Problem damit hatten, wenn Maggie sich hinter ihnen etwas aufregte. Ich hielt mich meist neben dem Einen und hinter dem Hintern des Zweiten. Marcos Hintern dicht vor mir hatte auf mich jedenfalls einen sehr beruhigenden Eindruck. Nach zweimaligem längerem Traben war die Unsicherheit schon weitgehend beseitigt.
Wir kamen nach ein paar Stunden in Schnellbach an. Unsere „IG Hunsrück zu Pferd“ Station dort war das „Haus am Schnellbach“ ein Landgasthof, betrieben von Familie Timmler.
Hinter dem Haus hat der Gastgeber sehr schöne und feste Anbindebalken aus Metall anbringen lassen. Auch größere Reitergruppen könnten hier gleichzeitig festmachen. Unsere Pferdchen waren doch sehr geschwitzt, da es für die Jahreszeit wirklich ungewöhnlich heiß war. Wir waren daher froh, dass wir sie mit Wasser abspritzen konnten. Ihr zu Hause war für diese Nacht ein einfacher Padock mit dünner Litze, abgespannt auf einer Weide. Der Grasbewuchs war nicht mehr sehr hoch, deshalb gaben wir eine Rippe Heu dazu und später das Kraftfutter.


Herrenritt 2011, Maggies erster WRHaltung: Respekt vor allem was ein Zaun sein könnte.
Das Wanderreitpferd sollte niemals über Litze treten oder Litze ohne Strom überhaupt kennenlernen. Nur der Respekt hält 450 bis 900 kg Pferd in einem Paddock. Weder die Litze, noch die meisten Holzstängelchen wären wirklich ein Hindernis, wüsste das Pferd welche Kraft ihm innewohnt. Daher – haltet den Bluff aufrecht. Keine Witze mit der Litze!
Es ist für den Wanderreiter eine große Beruhigung, wenn er weiß, dass sein Pferd im Allgemeinen auch in der lächerlichsten Einzäunung bleibt.
Hanspeter übte allerdings mit Leo die „Unterquerung eines Weidezauns“ für Fortgeschrittene. Leider habe ich davon kein Bild. Es kam schon vor, dass ein leichter Weidezaun den Weg einfach abtrennte und ein Umweg nicht möglich war. Wir haben damals zwei Zaunstickel aus dem Boden gezogen und ganz nach oben gehalten und die anderen haben die Pferde darunter durch geführt. Wir gingen dann mit einer Herde neugieriger Kühe und einem Bullen über die Weide und am anderen Ende nach der gleichen Methode wieder heraus. Hanspeter übt jetzt des Öfteren die Unterquerung im Alleingang. Er hebt den Stickel hoch und führt Leo darunter durch.

Haltung: Decken
Auf einem Wanderritt in dieser Jahreszeit sollte man immer eine leichte Regendecke dabei haben. Am Abend wird es oft schon kühl und es kann passieren, dass alle Planung hinfällig ist und man doch statt der Box mit einer Weide vorlieb nehmen muss. Wird es dann noch etwas nass, ist das für die Pferde kein Vergnügen. Die morgens vor Kälte total steife Muskulatur, macht dem Pferd keine Freude, von dem Verbrauch an Energie über Nacht einmal abgesehen, die am Tage beim Ritt dann fehlt.
Auf der anderen Seite kann übertriebene Vermenschlichung für das Pferd auch ein Problem sein. Unter der Decke können sich Pferde leicht überhitzen und zu viel eindecken führt laut Meinung vieler Fachleute zu einer Verminderung der natürlichen Funktionen des Felles. Abschwitzen, abkühlen, wärmen, vor Nässe schützen. Das sind alles Funktionen, die das Fell des Pferdes im Allgemeinen sehr gut erfüllt, ohne dass dafür eine Decke notwendig wäre. Einzig die Anpassung an die Benutzung durch den Menschen, rechtfertigt den Einsatz „menschlicher“ Mittel um unnötige Härten zu vermeiden. Wo die, manchmal fließenden Grenzen dazu sind, müssen wir jedem Pferdebesitzer selbst überlassen. Wir ihr auf dem Bild oben sehen könnt, gehen die Meinungen unter uns drei „Herren“ auch etwas auseinander.

Das Wasser wurde in 10ltr Eimern dazugestellt. Eine gute Idee des Stationsbetreibers ist es, die Eimer in einen PKW Reifen zu stellen. Dann wirft sie so schnell kein Pferd um.
Gutes Essen war hier vorprogrammiert. An diesem Tag gab es „Bayrisches“ in Buffetform. Alles was das Fleischesserherz begehrte war hier aufgefahren. Sehr lecker!
Vor dem Essen ging die Tür auf und unser Johannes tauchte auf. Unser vierter Mann, der eigentlich erst am Mittwoch zu uns stoßen wollte. Die erste Freude verging schnell, weil Johannes uns mitteilen musste, dass seine vier Pferdchen zu Hause im Stall einen Virus haben und, obwohl bei dem Pferd das er mitbringen wollte noch keine Symptome zu bemerken sind, ist die Gefahr der Ansteckung doch zu groß, so dass der diesjährige Herrenritt für ihn ausfallen musste. Große Traurigkeit, aber nicht zu ändern. Dafür musste er versprechen im nächsten Jahr länger mit zu reiten.

 

Montag, 2. Tag
Am nächsten Morgen wurde voll gesattelt und wir ritten nach Panzweiler. Hier trafen wir auf Aart und Geke Vliem. Die holländische Familie ist vor noch nicht allzu langer Zeit mit Kind und Kegel in den Hunsrück auf den Isländer Hof in Panzweiler gezogen.
Wir kamen abends im Dunkeln an. Wir umsorgten unsere Pferdchen im kleinen Stall von Aart, der mit einem Anbindebalken in der Mitte des Raumes versehen war.

Haltung: Reittauglichkeit, Rückenkontrolle
Wenn ich mit meinem Pferdchen am Abend eines Wanderrittes die Station erreiche, prüfe ich nach dem Absatteln immer Rücken und Gurtlage auf Empfindlichkeiten oder Schäden. Ein kleiner Riss, eine unauffällige Quetschung ein verspannter Muskel kann am nächsten Tag das Ende des Rittes bedeuten, wenn nicht entsprechend reagiert wird. Wie wir es den Teilnehmern in den Kursen auf O Pica Pau bei dem Thema Reittauglichkeit beibringen, taste ich mit den Händen unter leichtem Druck den Rücken entlang der Muskulatur zu beiden Seiten der Wirbelsäule ab. Ist man tagsüber vier, sechs oder mehr Stunden geritten, kommt es durchaus vor, dass das Pferd etwas nachgibt und den Rücken wegdrückt. Es sollte für das Pferd allerdings mehr ein „unangenehmes“ denn ein wirklich „schmerzhaftes“ Gefühl sein. Das als Untersuchender zu unterscheiden ist allerdings nicht einfach. Am Morgen muss dieses Symptom allerdings verschwunden sein. Gibt das Pferd dann immer noch nach, muss für den verantwortungsvollen Reiter der Ritt zu Ende sein.
Maggie hat damit gar nichts zu tun. Sie hat zu keiner Zeit auch nur gezuckt, wenn ich ihren Rücken untersuchte. Sie hat offensichtlich einen erfreulich unempfindlichen Rücken.

Hier kamen uns auch Hunde und Federvieh besuchen.

Herrenritt 2011, Maggies erster WRHerrenritt 2011, Maggies erster WRDisziplin: Anderes Viehzeug.
Gegen die Nähe von anderem Vieh oder Haustieren lässt sich auf einem Wanderritt oft nichts machen. Bis man bemerkt, dass ein Huhn den Stall betreten hat und mitten zwischen den Pferden herumläuft, hat sich das, in dieser Hinsicht ängstliche Pferd schon in die Anbinde gehängt. Mit einem Pferd dass Angst vor Rindern hat, an einer Weide mit springlebendigen Jungbullen vorbeizureiten, kann sogar regelrecht gefährlich werden.
Ein Wanderreitpferd muss die im Allgemeinen anzutreffenden Tierarten wie Hunde, Federvieh, Katzen, Rinder, Esel, andere Pferde, usw. in seiner Nähe tolerieren.

Aart erklärte uns, dass er eine große Weide in drei Stücke geteilt habe und jedes unserer Pferde in einem der Drittel stehen könne. Er führte uns zur Weide. Oh Herr, jedes der Teilstücke war mindestens 2-3 ha groß. Die Umzäunung war im Dunkeln natürlich nicht mehr zu sehen und so konnten wir nur hoffen, dass die Litze durchgängig in Ordnung war. Das weitere Problem war, das Maggie sich natürlich in Ihrer Unsicherheit sehr an die anderen Pferde angeschlossen hatte und keinesfalls zulassen würde, die Kumpels aus den Augen zu verlieren. Für Marco, obwohl sonst ein echter Profi, galt leider das Gleiche. Er klebt immer furchtbar an der Gruppe mit der er unterwegs ist. Sofort schoss mir der Gedanke durch den Kopf, der gute Leo könne ans andere Ende seiner Weide gehen und die beiden Klebis könnten denken er sei weg und wollten hinterher.
An diesem Abend gingen wir daher mit etwas Unruhe ins Bett.

Disziplin: Kleben an der Gruppe.
Unnötig zu sagen, dass das Kleben an anderen Pferden, obwohl ein natürlicher Teil des Herdentriebes, in der erwähnten Ausprägung sehr unschön ist. Konnte ich zu Hause bei den paar Ausritten mit Dagmar Maggie noch von dem anderen Pferd wegreiten, ja sogar weggaloppieren, so war das auf dem Wanderritt bereits am zweiten Tag nicht mehr möglich. Da Maggie jedoch zu Hause in Ihrer Herde trotz Ihrer Jugend sehr selbstbewusst auftritt, schon eine Rolle im gehobenen Management einnimmt und auch schon Führungsansprüche angemeldet hat, bin in dieser Hinsicht ganz beruhigt. Natürlich hat sie auf ihrem ersten Wanderritt große Unsicherheiten und schließt sich eng an die routinierten Genossen an, aber sie wird schnell zu ihrem normalen Verhalten zurückfinden, wenn die ersten Unsicherheiten überstanden sind und die fremde Umwelt und ihre Schrecken für sie zur Normalität werden.

 

Dienstag, 3. Tag
Nach dem Erwachen war unser erster Gang denn auch direkt zu den Pferden. Gott sei Dank, alles war OK.

Was ich an Maggie sehr schätzen gelernt habe, war, dass sie immer direkt zu mir kommt und mit der Nase das Zaumzeug regelrecht sucht. Hat sie das Loch gefunden, steckt sie die Nase sofort rein. Sie möchte einfach arbeiten und sich bewegen. Dazu ist sie auch noch schmusig und lässt sich gerne kraulen und streicheln. Wenn man da morgens auf die Weide kommt und so empfangen wird, das gibt einem einfach das Gefühl gemocht zu werden und den Wanderreitspass mit dem Partner Pferd gemeinsam zu genießen.  Sehr erfreulich!

Herrenritt 2011, Maggies erster WRVon Panzweiler aus, ging es heute nach Sonnschied. Eine Strecke von über 40km. Unsere Station Dieter Schultheis in Sonnschied. Keine Wanderreitstation der IG Hunsrück, sondern ein Mann, den unser Josef auf einem seiner Hunsrückritte zufällig kennengelernt hat. Dieter hat selbst zwei Pferde und ist begeisterter Kutschfahrer. Er nimmt gerne sympathische Wanderreiter auf. Wie wir unterkommen würden und wo wir und die Pferde schlafen werden, war auch Josef nicht bekannt. Nur das Dieter auf Montage unterwegs war und das sein Freund Ernst unsere Versorgung übernehmen werde.
Die ersten zwei Kilometer gingen wir schon mal zu Fuß. Alleine schon für Maggie, bin ich immer abgestiegen, wenn es länger bergab ging oder wenn sich Teerstrassen nicht vermeiden ließen. Dann stiegen wir auf. Ach, apropos Aufsteigen.
Wir suchen eigentlich immer eine Aufsteigehilfe. Ob in einem Stall oder im Gelände, es wird alles genutzt, was das Pferd irgendwie kleiner, oder uns größer macht. Mit dem hochaufbauenden Gepäck hinter dem Sattel ist es eh schwierig genug aufs Pferd zu kommen und für die Pferdchen ist das auch kein Vergnügen.

Disziplin: Aufsteigen
Selbst die FN befürwortet seit einiger Zeit das Benutzen einer Aufsteighilfe. Der Grund ist vor allem die Gesundheit der Pferde, die durch ständiges Aufsteigen von links, dazu vielleicht noch in ungünstiger Hebelposition und mit einem nicht gerade leichten Astralkörper, eine Wirbelsäulenbiegung erfahren, die nicht gut für sie ist. Nebenbei ist es für uns als Geländereiter wichtig, dass wir beispielsweise auch von rechts aufsteigen können. Wenn ihr einmal in einem steilen Hang gestanden habt, auf dem das Drehen des Pferdes sehr aufwendig wäre, das Pferd links unter dir, dann weißt du wie toll es ist, von rechts aufsteigen zu können.
Daneben muss das Pferd natürlich beim Aufsteigen stehenbleiben. Es muss sich vom Boden aus an eine Aufsteighilfe heran bugsieren lassen und darf nach oder gar während dem Aufsteigen nicht weggehen, oder sich wegdrehen. Beides kann für den Reiter bedeuten, schneller wieder unten zu sein, als gedacht.


Hier ein paar Beispiele dazu:

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Durch das Hahnenbachtal konnten wir ein paar Kilometer lang über einen schönen Wiesenweg neben den gerade abgemähten Weiden galoppieren. Das war toll, da mit Maggie, wie ja schon erwähnt, in der Bahn noch keine Galopparbeit gemacht wurde. Hier im Freien und geradeaus, ist das für sie leichter und eine gute Balanceübung. Natürlich kann Maggie noch nicht so langsam und versammelt galoppieren wie Leo. Deshalb waren wir immer schnell ein paar Pferdelängen voraus. In der Folge fühlte sie sich natürlich verantwortlich fürs Glotzen. Schaut wie sie auf dem Bild die Ohren vorgestreckt hat. Sie stockte dann bei allem, was sie erst einmal einordnen musste und ich versuchte sie trotzdem nicht durch ungewollte Gewichtsverlagerungen im Gleichgewicht zu stören.
Bild „A ruhiger Wiesengalopp“

Unterwegs ritten wir an dem Nachbau eines Römerturms vorbei, der auf den originalen Grundmauern errichtet wurde.
Hanspeter nutzte, wie immer, gleich die Gelegenheit mit Leo zu üben und ritt in das enge Parterre hinein und wieder hinaus.

Herrenritt 2011, Maggies erster WRDisziplin: Enge und Dunkelheit
Für Pferde bedeutet es schon „eng“, wenn zwei Stangen auf dem Boden liegen. Seitlich aufragendes, wie eine Stalltür ist dann nochmal eine Steigerung und dunkle Höhlendurchgänge, wie Ihr sie unter dem Punkt „Mittwoch“ in diesem Bericht noch sehen werdet, verlangen schon ein großes Vertrauen und Sicherheitsgefühl des Pferdes zu „seinem“ Menschen.
Nachdem wir im Tal unterhalb Bundenbach noch ein Bier in der schönen Forellenmühle getrunken hatten, kamen wir, wie üblich, im Dunkeln vor Sonnschied aus dem Wald. Gut das Ernst vor dem Stall eine Lampe angelassen hatte, die wir schon von weitem sehen konnten. Wir ließen die Pferde noch einmal ausgiebig grasen. Wer weiß schon, welche Heuqualität man in der Station antrifft.

Haltung: Ernährung des Pferdes
Wir lassen unsere Pferde mindestens alle 3-4 Stunden ausgiebig grasen. Vor allem vor der eigenen Mittagspause ist dies ratsam. Die Pferde stehen danach auch ruhiger an der Anbinde. Nach ca. 20 Minuten ist der größte Hunger meist gestillt. Man kann es leicht daran merken, dass die Pferde beim Grasen mehr laufen und nach Leckerbissen suchen, statt hungrig zu fressen. Im Sommer ist das meistens kein Problem, da an allen Wegrändern genug Gras steht. Je fortgeschrittener aber die Jahreszeit ist, desto weniger schmackhaftes Gras mit hohem Ernährungswert gibt es unterwegs. Wir stehen auf dem Standpunkt, ein voller Akku ist immer gut. Also bei jeder Gelegenheit die Pferde essen und trinken lassen, so viel es geht. Hat man dann auf längeren Strecken keine Möglichkeiten, kann das Pony umso länger gut durchhalten.
Ernst begrüßte uns herzlich. In dieser Station hatten wir nun Boxen zur Verfügung. Klar sind wir keine Freunde der Boxenhaltung, aber auf einem Wanderritt sind wir alle froh über eine ruhige und sichere Unterkunft.
Haltung: Übernachtung in der Box.
Boxen in Wanderreitstationen entsprechen nicht immer dem Ideal. Ideal wäre: Groß, hell, sauber, ohne Ecken und Kanten, mit Kontakt zu den anderen Teilnehmerpferden des Wanderritts, gesicherte Wasserversorgung, luftig und doch ohne Zugluft, usw. Ein Ausschlusskriterium wäre zum Beispiel die Verletzungsgefahr durch hervorstehende Ecken und Kanten oder spitze / scharfe Teile. Ansonsten muss unser Pferd mit dem zurechtkommen, was wir vorfinden.
Ich prüfe immer:
A.) ob die Wasserversorgung OK ist. Kann mein Pferd aus einer Tränke trinken, ist die Tränke in Ordnung (Wasserdruck?) und sauber? Wassereimer fallen gerne um oder werden umgetreten. Ist er gesichert?
B.) morgens zählen wir die Haufen. Zwischen drei und fünf sollten zu finden sein. Damit stellen wir sicher, dass unser Pferd über Nacht eine ordnungsgemäße Verdauung hatte.
C.) angelaufene Beine am Morgen, sind erst einmal kein Grund zur Besorgnis. Der Grund ist meistens das nächtliche Stehen in der Box. Die Beine werden nach kurzem Gehen wieder völlig normal.
Ein Wanderreitpferd, das aufgrund von Allergien oder anderen Empfindlichkeiten ständig eine Sonderbehandlung braucht, macht dem Wanderreiter das Leben natürlich nicht gerade leichter. Das gilt auch für das Stehen in der Box, wenn zum Beispiel nicht mit Stroh eingestreut sein darf, oder das Heu nassgemacht werden muss, usw.

   

Es stellte sich heraus, das Dieter auf seinem großen Grundstück neben seinem Einfamilienhaus ein kleines „Hobbyhäuschen“ gebaut hatte. Sehr modern und schick eingerichtet. Ernst entpuppte sich als Hobbykoch und überraschte uns schon am ersten Abend mit einer Vorspeise eigener Kreation und einem echten Hunsrücker Schwenkbraten. Toll!

Mittwoch, 4. Tag
Josef hatte für heute eine Art Ruhetag eingeplant. Keinen völligen Stillstand für unsere Pferde, aber doch ein Tag ohne Gepäck und mit nur ca. 12km Ausflug in die Gegend um Bundenbach. Hier gab es die Grube Herrenberg und ein wiederhergestelltes Keltendorf als Sehenswürdigkeiten, wo wir sachkundige Führer antrafen.

 

Als beliebtes Versteck des Schinderhannes hat uns vor allem die Schmidtburg sehr interessiert. Von der Anhöhe im Ort Bundenbach konnte man die Schmidtburg von oben betrachten, die praktisch auf einem, im Tal gelegenen Hügel residiert. Aufgrund dieser Lage war sie zu ihren besten Zeiten unangreifbar, da man die Feinde schon bekämpfen konnte, wenn sie mühsam ins Tal hinabgeklettert kamen, um dann wieder den Berg hinauf zur Schmidtburg steigen zu müssen.

Zwischendurch nahmen wir auf dem Forellenhof ein gutes Mittagessen in Form frischer, gebackener Forellen zu uns.
Auf dem Weg zu diesen Sehenswürdigkeiten stolperten wir wieder über diverse Geländeschwierigkeiten.
Erst begegnete uns das schon am Dienstag erwähnte Problem der Enge und Dunkelheit. Wir mussten auf dem schmalen Weg durch die Berghänge auch noch zwei Höhlendurchgänge durchqueren. Bei dem Ausstieg aus dem zweiten, schrabbte das Sattelhorn von Maggie bereits an der Höhlendecke. Ein Zentimeter weniger und ich hätte absatteln müssen.


Disziplin: Enge und Dunkelheit

Hier wird deutlich, dass die Pferde dem Reiter vertrauen. Wichtig ist vor allem, dass der Mensch der sie führt, wirklich jeden Zentimeter bestimmt, den das Pferd nach vorne geht. Josef ging natürlich erst einmal ohne Pferd durch die beiden Tunnel, um sicherzustellen, dass der Durchgang frei war. Trotzdem konnten wir nicht genau sagen, ob wir von der Höhe her mit Sätteln durchgehen würden, oder nicht. Es musste probiert werden. Wäre es nicht gegangen, hätten wir unsere Pferde in dem engen und dunklen Schacht absatteln, oder schlimmstenfalls rückwärts wieder hinaus bugsieren müssen. Als es am Ausgang eng wurde, musste ich Maggie Zentimeter für Zentimeter nach vorne treten lassen, um zu sehen, ob das Horn noch durch passt, oder nicht. Und das während Marco und Leo schon draußen standen.
Dasselbe Problem ist schon häufig bei geführten Ritten aufgetreten, wenn die Reiter beispielsweise unter einem schräg über dem Weg liegenden Baum hindurch mussten. Liegt die Differenz zwischen Baum oder Spitzen von abgebrochenen Ästen und dem Sattel oder Pferdekopf im Zentimeterbereich, kann man das Durchkommen nur noch abschätzen, aber nicht mehr genau bestimmen. Viele Pferde rennen, sind sie einmal mit dem Kopf unter dem Baum, einfach weiter und lassen sich durch ihre Führer nicht mehr steuern. Dies ist dem Fluchttrieb zu verdanken, der dem Pferd suggeriert, bei eventuell zu erwartenden Schwierigkeiten am besten schnell wegzurennen. Dagegen muss das Vertrauen in die Sicherheit stehen, die sein Mensch ihm geben kann. Deshalb sind Übungen in Bodenarbeit so wichtig.
Weg_endetEin Wanderreitpferd muss sich jederzeit anhalten, zentimeterweise rückwärts oder nach vorne richten lassen.

Einer der schönen Naturwege durch die uns Josef führte, endete abrupt in einem unzugänglich aussehenden Pfädchen. Während Hanspeter den weiteren Pfad erkundete, entdeckte Josef auf seinem GPS Gerät einen Weg, der ca. 50m weiter oberhalb verlaufen sollte. Er kletterte daher den Hang hinauf, um hier eventuell eine gangbare Möglichkeit zu finden. Ich ließ es mir erst einmal gut gehen und ruhte einstweilen etwas aus.


Das GPS hatte nicht gelogen. Wir mussten also den Hang hinauf und kämpften uns durch einen Wildwuchs aus kleinen Buchen, Gestrüpp von Wacholder und niedrigwachsenden Kiefern. Natürlich musste das erfolgreiche Beenden dieser Schwierigkeit mit einem kleinen Schluck leckerem Williams gefeiert werden.


Disziplin: Die Hufe hoch und konzentriert und präzise wieder absetzen

Von dem Widerstand durch Äste mit und ohne Dornen einmal abgesehen, müssen die Pferde hier Ihre Füße gut anheben und konzentriert an geeigneten Stellen wieder absetzen. Im Gegensatz zu der Meinung mancher Leute, Pferde wären eine Art Trampeltier, können sie das sehr gut. Aber, auch hier ist wieder die Voraussetzung: Üben zu Hause an Stangen oder im Gelände an leichteren Bäumen und Unterholz. Das Wanderreitpferd muss vor allem gelassen bleiben. Stehen wir, steht es auch, gehen wir, geht es auch. Anhängende Dornenranken dürfen es nicht veranlassen zu reißen und kopflos vorwärts zu stürmen. Es muss stehenbleiben und abwarten, bis wir es eventuell von der Ranke befreien, oder es veranlassen tatsächlich kraftvoll weiterzugehen, weil es eben nur eine Ranke, oder ein Ast ist, der etwas gegenhält, aber dann doch schadlos weicht. Spätestens wenn ein Pferd beispielsweise einmal in einen Draht verwickelt ist und dann ruhig stehenbleibt, bis es befreit ist, wird man für diese Eigenschaft äußerst dankbar sein.
Allerdings kommt es auch etwas auf das Wesen des Pferdes an. Maggie beispielsweise meisterte die Situation perfekt, ohne dass es ihr je beigebracht wurde. Andere müssen es erst lernen.

Nach all diesen Abenteuern, kamen wir froh und heil wieder in unserer Station an.

 

Donnerstag, 5. Tag
Schon kurz nach dem Aufbruch befanden wir uns am Aufstieg zum Höhenrücken des Lützelsoon´s oder auch „kleiner Soon“ genannt.  Der Lützelsoon ragt westlich des Soonwalds bis auf 600m aus den Hügeln des Hunsrücks empor. Er ist komplett bewaldet und von kleinen Wanderwegen durchzogen, die früher teilweise von den „Layenbrechern“, den Arbeitern in Schieferbergwerken, genutzt wurden, um an ihre teils winzigen Gruben zu kommen.

 

 

 

 

 

 


Genauso winzig, teilweise seit Jahren unbenutzt und schon zugewachsen waren auch die Wege. Auf dem Kamm wurde es sehr felsig und an einer Stelle mussten wir wirklich sehr vorsichtig über die Felsen steigen, die mitunter sehr gefährliche kleine Spalten und Lücken aufwiesen. Hier kam Maggie und auch den erfahrenen Wanderreitpferdchen wieder zu gute, dass sie die Füße wirklich treffsicher setzen können.

 

 

 

 

 

 


Als erstes genossen wir natürlich die Aussicht, die schon ohne Aussichtsturm grandios war.
Josef hatte uns gerade noch einen leckeren Kaffee gekocht und las uns eine Geschichte aus seinem Büchlein von Uwe Anhäuser vor, der Geschichte mit Anekdoten und Legenden so schön mischt, das ein humorvolles Bild des Hunsrücks dabei herauskommt, da fing es an zu regnen.

 

 

 

 


Schade, das tolle Wetter war offensichtlich vorbei. Schon am Morgen zog es ziemlich, jetzt wurde es auch deutlich kälter, Sturm kam auf.
Die Tage des Ponchos brachen an. Einige findige Köpfe der VFD haben sich vor einiger Zeit aufgerafft und einen Poncho für Reiter entwickelt. Nach langen Probephasen mit knallgelben Teilen, für die man manchen Lacher auf sich zog, gibt es nun seit einiger Zeit einen sandfarbenen Poncho mit silbernen Leuchtstreifen. Ein tolles Ding. Aufgrund des qualitativ sehr hochwertigen, atmungsaktiven und trotzdem wasserdichten Microfaserstoffes nicht gerade geschenkt, aber für den Wanderreiter ein echter Segen.
Hanspeter und ich haben natürlich schnell unsere VFD Ponchos gezückt und angezogen. Ah, war das eine Freude.

Dazu kann man noch eine Tasche für den Poncho erwerben, die vorne auf die Fock geschnallt wird. Aber nicht nur, dass man den Poncho dann, im Sattel sitzend, einfach herausziehen und überwerfen kann, nein, es steckt auch noch eine Sattelabdeckung in dieser Tasche. Diese ist mit einem umlaufenden Gummizug versehen und lässt sich einfach über den Sattel und das ganze Gepäck ziehen. Im Falle einer Rast, eine ideale Lösung, die vor allem auch bei Wind und Sturm einwandfrei funktioniert.


Der Poncho ist aktuell unter www.beartrek.de für den Sonderpreis von 180,- Euro zu bestellen. Ich kann nur sagen, selbst wenn man nur einen einzigen Wanderritt im Jahr macht und dabei 2 Tage Regen oder kalt/trübes Wetter hat – kauft Euch das Ding. Es ist wirklich eine Freude warm und gemütlich darunter zu sitzen und abends von Kopf bis Fuß völlig trocken in der Station anzukommen.

Natürlich wird der Poncho unserer guten Maggie erst einmal etwas Angst machen. Ich hatte zwar schon bei Dagmar die Gelegenheit genutzt und einmal einen kleinen Militärponcho auf dem Pferd angezogen, aber das war ja im Verhältnis eine Kleinigkeit. Wie man im nächsten Bild sehen kann, ist unser Poncho riesig. Er deckt das Vordergepäck und den kompletten Hintern des Pferdes mit ab, wenn man das möchte. Ich fand´s gut, Maggie dagegen war überhaupt nicht begeistert.


Der Wind meinte es nicht gut mit uns und blies die ganze Zeit sehr stark und fast immer von vorn. Immer wenn er von vorne in den Poncho blies, hob er natürlich den hinteren Teil kurz an. Das fand Maggie überhaupt nicht lustig. Schaut nur, wie sie auf dem rechten Bild den Kopf auf einem steif nach oben gerichteten Hals trägt. Wie man auf den Bildern sehen kann, war sie sehr angespannt. Gott sei Dank wollte sie nur nach vorne schießen und kam nicht auf die Idee ihre Energie nach oben zu transportieren. Hanspeter und ich sangen ein paar schöne Lieder dazu, aber trotzdem war es nicht gerade leicht sich von der Anspannung nicht anstecken zu lassen, sondern locker im Sattel sitzen zu bleiben, innerlich Ruhe zu bewahren und Maggie damit Sicherheit einzuflößen. Dieses Verhalten musste ich dann ein paar Stunden aushalten. Erst am späten Nachmittag ließ die Anspannung deutlich nach und morgen wird nur noch wenig von der ersten Angst übrig sein.

Disziplin: flatternde Mäntel, Jacken oder Ponchos
Ganz klar, einen Regenmantel oder den Poncho muss man auf dem Pferd aus- und anziehen können und das normalerweise noch mit auf dem Hals oder der Fock abgelegten Zügeln. Auch das Flattern oder das Ablegen auf Hals, Sattel, Kruppe oder Hintern von Jacken oder ähnlichen, größeren Stoffteilen darf das routinierte Wanderreitpferd nicht erschrecken.

Am Abend und natürlich schon wieder im dunkeln, kamen wir dann in Weiler bei Monzingen an der Nahe im Pferdehof Unterauerhell von Beate Lamp an. Wie man sehen kann, tragen die Ponchos durch ihre Leuchtstreifen auch zur Sicherheit bei Dunkelheit bei.

Der Stall für die Pferde lag ein paar hundert Meter vom Haus entfernt. Die Pferde standen in handelsüblichen Boxen und waren, vor allem an diesem Abend wichtig, vor Zugluft geschützt. Wir waren wieder einmal froh über die Sicherheit, die uns diese, sonst so ungeliebte Haltung vermittelt. Wir stellten die Pferde erst einmal in die Stallgasse. Durch verschiedene Behältnisse und Schränke auf der gegenüberliegenden Seite, war die Bewegungsfreiheit in der Stallgasse etwas eingeschränkt. Unsere Pferde nahmen das aber völlig gelassen und da sie angebunden ruhig stehen, gab es dabei keinerlei Probleme.

Disziplin: angebunden ruhig stehen, unangebunden ruhig stehen

Ein Pferd das an der Anbinde herumzappelt und trampelt, vor- und zurückmarschiert, sich seitwärts dreht, usw., macht seinem Reiter in solchen Lagen große Probleme. Wir möchten gerne, das unsere Pferde angebunden, wenn es sein muss stundenlang, ruhig stehen.
Es kann aber auch passieren, das man gar keine Anbinde findet, die brauchbar und sicher erscheint. Dann möchten wir, dass unsere Tiere auch unangebunden auf der Stelle stehenbleiben. Beispielsweise beim Putzen und beim Ab- oder Aufsatteln ist dies oft schon sehr nützlich gewesen. Aber auch einen schnellen Kaffee kann man trinken. Natürlich halten wir uns dann in Sichtweite auf, da man auch beim diszipliniertesten Pferd nie genau wissen kann, was ihm plötzlich einfällt.
Was Leo schon perfekt kann, muss Maggie natürlich erst lernen. Hier benutzten wir den Heuballen als zentralen „Haltepunkt“. Trotzdem ist die Neugier groß und Maggie glotzt in die angrenzende Halle, weil dort offensichtlich irgendetwas Interessantes im Gange ist.


Da wir heute sicher über sechs Stunden im Sattel waren, ließen wir die Pferde gesattelt und den Gurt nur mit einem Loch gelockert noch eine halbe Stunde stehen, obwohl wir die letzten ein bis zwei Kilometer bis zum Stall schon zu Fuß gegangen waren.

 

 

 

 

Haltung: Absatteln, Satteldruck
Durch den hohen Druck des Reitergewichtes und des Sattels mitsamt Gepäck, wird aus dem darunterliegenden Gewebe Flüssigkeit herausgedrückt. Nimmt man nach stundenlangem Reiten den Sattel sofort herunter, schießt die Flüssigkeit in das Gewebe zurück und kann es mit Druck weiter als normal aufblähen. Eine Nacht ist nicht immer genug Zeit, um den Flüssigstand im Gewebe wieder zu normalisieren. Bei etwas empfindlicheren Tieren, oder je nach dem momentanen Zustand des Gewebes kann es daher vorkommen, dass der Sattel, am nächsten Morgen wieder aufgelegt und mit Gewicht belastet, Teile des Gewebes beschädigt. Das gibt dann den sogenannten Satteldruck, also sehr schmerzhafte und manchmal sogar aufgehende Stellen. Davon abgesehen, dass der Ritt nun vorbei wäre, ist das natürlich sehr schmerzhaft. An diesen Stellen wachsen dann zukünftig oft nur noch weiße Haare.
Deshalb lässt man den Sattel für ca. 5 Minuten pro gerittene Stunde auf dem Pferd und sattelt erst dann ab. Wir gehen, wie am Anfang, auch am Ende der Tagesetappe den letzten Kilometer zu Fuß. Das verkürzt die Stehzeit an der Anbinde noch einmal.
Es hängt absolut vom Pferd und dessen aktuellen Zustand oder genereller Empfindlichkeit ab, ob diese Maßnahme nötig ist, oder nicht. Auch die Auflagefläche des Sattels ist logischerweise ein wichtiger Punkt. Trotz höherem Eigengewicht ist es erwiesen, dass ein Westernsattel pro Quadratzentimeter Auflage auf dem Pferd weniger Druck ausübt, als ein normaler Sattel.
Ich persönlich sattele unsere eigenen Pferde nach nur einer oder auch zwei Stunden Reiten einfach ab. Dabei ist noch bisher nie ein Problem aufgetreten. Aber das ist immer die Entscheidung im Einzelfall durch den Besitzer.


Nachdem unsere Pferde schon etwas Heu gefressen hatten, gaben wir ihnen ihr Kraftfutter in Form von Hafer. Dann gingen wir zum Wohnhaus und waren gespannt, was unseren knurrenden Mägen heute angeboten würde.

Haltung: Kraftfutter
Kraftfutter geben wir den Pferden erst, nachdem sie eine Zeitlang gestanden und etwas Raufutter gefressen haben. Morgens bekommen sie Kraftfutter direkt nach unserem Aufstehen, damit auch hier etwas Zeit zwischen der Kraftfutteraufnahme und dem Losreiten vergeht. Das ist die sicherste Methode Probleme mit dem sensiblen Verdauungstrakt des Pferdes zu vermeiden.
Das Wanderreitpferd sollte nicht schnäkelig sein und muss auf dem Wanderritt mit jeder Art von Körnerfutter zurechtkommen. Mag man zu Hause auch nur das Beste geben, Pellets vermeiden, keinen Hafer füttern, oder von mir aus für den Liebling jedes Körnchen einzeln auswählen, auf einem richtigen Wanderritt ohne Tross, kann man nicht auch noch das Premium Kraftfutter mitführen. Man nimmt, was man kriegen kann. Wir geben morgens und abends je nach Tagesleistung einen bis zwei Scheffel Kraftfutter.

Nach dem langen Tag mit viel Sturm und etwas Kälte tat der herzliche Empfang durch Beate Lamp natürlich besonders gut.
Der Betrieb ihres Weingutes garantierte uns schon mal einen sehr leckeren Wein zum Abendessen, welches mit Zwiebelkuchen und Federweißer begann und insgesamt ein großes Vergnügen war. Leider überkam uns nicht lange nach dem Essen so große Müdigkeit, dass wir nicht alle Weine probieren konnten und schnell ins Bett gingen.

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 6. Tag
Nach einem üppigen Frühstück, sattelten wir unsere Pferde, denen wir wie immer direkt nach dem Aufstehen schon Hafer gegeben hatten und die jetzt satt und zu allen Schandtaten bereit, wartend in der Box standen.

Wieder wurden wir verabschiedet, wie wir begrüßt wurden, sehr herzlich.

Oh Gott, schon am Anfang dieses Tages gingen wir über einen Wiesenweg zwischen Beates Weiden mindestens einen Kilometer zu Fuß einen total steilen Berg hinauf. Und das gegen Wind und Wetter. Wir waren schon geschwitzt, als wir endlich oben ankamen.

Haltung: Schonung der Gelenke
Damit die Gelenkschmiere und der ganze Anabolismus unsere Pferde Gelegenheit hat in Gang zu kommen, gehen wir, vor allem wenn sie über Nacht in einer Box standen, den ersten Kilometer am Morgen immer zu Fuß. Mit etwas Glück dankt das Pferdchen uns diese Schonung mit arthrosefreien Gelenken bis ins hohe Alter.

Heute wollen wir nach Womrath reiten. Zum Bauer „Bauer“. Der Landwirt, bei dem wir heute Abend unterkommen wollen, heißt nämlich Helmuth Bauer. Wie schon vermutet, war das Ponchoflattern heute kein Thema mehr für Maggie. So konnten wir, trotz Wind und Wetter, entspannt unserer Wege reiten. Bei unseren kurzen Rasten unterwegs, sahen wir mit unseren Ponchos schon ein bisschen aus wie zwei Mönche.


Unterwegs wurde sogar das Wetter wieder etwas freundlicher. Bei der Familie Bauer trafen wir noch andere Reiter, von denen wir zwei nette Damen auch in Simmern auf der Dilligsmühle wiedertreffen sollten. Bei Bauer´s konnte man zwischen verschiedenen Pferdeunterkünften wählen. Wir nahmen dann die zwar alten, aber sehr sympathischen und natürlich sauberen Boxen aus Brettern und Tannenstangen, die Hanspeter schon vor vielen Jahren kennengelernt hatte und in denen er sogar schon selbst geschlafen hat.


Box_1
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 7. Tag
Dieser Tag unserer kleinen Reise versprach interessant zu werden. Wir hatten die vierspurige B50 vor uns, die wir inzwischen zum zweiten Mal überwinden mussten und wollten in die Stadt Simmern einreiten, weil wir von meiner Lieben Frau Jutta, auf dem Schinderhannesplatz in Simmern, zu Kaffee und Kuchen eingeladen waren. Hier hat sie im Auftrag der Stadt das Schinderhannesdenkmal geplant und hergestellt. Ihre Werke kann man unter www.jutta-reiss.de betrachten. Man muss dazu wissen, dass der, im 18. Jahrhundert lebende, Johannes Bückler, als Räuber „Schinderhannes“ genannt, ziemlich am Anfang seiner Karriere in der damaligen Residenzstadt Simmern mehrere Schweine stahl. Er wurde erwischt und saß im, heute „Schinderhannesturm“ genannten, Gefängnis der Stadt ein. Unter rätselhaften Umständen konnte er entkommen, um dann einige Jahre später in Mainz geköpft zu werden. Nicht ohne die Menschen, trotz seiner Untaten, so zu begeistern, dass zu seiner Hinrichtung 40.000 Besucher kamen. Bedenkt man, dass in Mainz zur damaligen Zeit nur 30.000 Menschen lebten, war das eine riesige Anzahl. Auch heute noch ziehen er und seine Geschichte die Menschen offensichtlich an. Vor ein paar Wochen erst, wurde in einer Feier mit über 350 Menschen vor dem frisch renovierten Turm das Schinderhannes Denkmal enthüllt. Mit Stolz kann ich als Künstlergatte sagen, dass Jutta mal wieder eine sehr schöne Plastiken gruppe hergestellt hat, die Ihresgleichen sucht. Meine Freunde hatten das Denkmal ja noch nicht gesehen und waren schon sehr gespannt darauf und nicht zuletzt freuten wir uns auch auf Kaffee und Kuchen.
Die B50 konnten wir diesmal unterqueren. Wie die Autos, ritten wir durch einen Kreisel und durch eine Unterführung hindurch. Gott sei Dank ist Maggie von Haus aus unempfindlich gegen Verkehr. Ich habe bisher noch keine Ängste bemerkt, auch nicht bei Traktoren oder LKW´s. Doch darf man sich mit einem so jungen Pferd niemals in Sicherheit wiegen.

 

Disziplin: hallende Unterführungen
Der veränderte Klangraum in einer Unterführung, ist für die Pferde natürlich irritierend. Umso schlimmer, wenn auch noch Straßenverkehr hindurchfließt. Ein lautes Motorrad oder gar ein riesiger Traktor mit Anbaugeräten kann hier noch erheblich mehr Angst auslösen, als sie es auf freiem Feld sowieso schon tun. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir gar nicht umhin können, hier hindurch zu müssen.

Dieselbe B50 hatten wir an einem der vorherigen Tage schon einmal gekreuzt. Allerdings mussten wir sie da überqueren, was sich recht unspektakulär gestaltete, nämlich über eine Straßenbrücke. Wobei ich natürlich trotzdem etwas angespannt war. Man ist ja schon des Öfteren überrascht worden, welche Gegenstände oder Zustände sich manche Pferde aussuchen um sich ordentlich aufzuregen. Von Drahtrollen am Wegesrand, über Baumstämme oder Ecken wo für mich einfach gar nichts zu sehen war, hatten wir ja schon alles. Warum soll also ein Pferd nicht erschrecken, wenn unter ihm mit donnerndem Geräusch, aus der Entfernung kommend und rasch näher kommend, ein weißer Sattelzug heran rauscht und unter ihm durch fährt. Also besser Vorsicht als Nachsicht. Erst einmal standen wir mal am Anfang der Brücke und beobachteten Maggies Reaktionen. Die waren allerdings gleich Null und so wagten wir es und ritten gemeinsam über die Brücke.


Es folgte der Ritt in die Stadt. Am Anfang einer verkehrsberuhigten Geschäftsstrasse, die aussah wie eine Fußgängerzone, es aber nicht war, steht das Rathaus von Simmern. Der ruhmreichen Vergangenheit von Simmern als Residenzstatt eines Herzogs angemessen, ist dies ein schlossartiges Gebäude mit einer großen Wasserfläche davor. Hier tränkten wir noch einmal die Pferde. In diesem Fall zögerten allerdings alle drei Pferde deutlich, bevor sie an das Wasser herantraten.

Wir ritten zwischen den Geschäften hindurch bis zum Schinderhannesplatz und kamen dort um Punkt 16.00 Uhr, wie besprochen an.

Da das Café am Platz, die „Bröterie“ leider geschlossen hatte, kaufte meine Frau in einem anderen Café Kuchen und brachte Kaffee und Sitzgelegenheiten einfach mit. So saßen wir denn, während unsere Pferde gegenüber unter einem überhängenden Parkplatz standen, gemütlich beisammen und nicht einmal das trübe Wetter konnte uns die gute Stimmung vermiesen.

 

 


Zu unserer großen Freude kam Johannes, unser verhinderter vierter Mann, extra nach Simmern gefahren, um mit uns ein wenig zusammen zu sein. Ein Simmerner Maler gesellte sich ebenfalls zu uns und Jutta klärte uns über Sinn und Bedeutung vieler Einzelheiten des Schinderhannesdenkmals auf.

Zu guter Letzt kam noch der Turmwächter in 3. Generation neugierig heran. Er hatte Verwandten den Turm gezeigt und war so begeistert von unserem Tun, dass er uns in den Turm zu einer Flasche Wein einlud. Aus der Einen wurden dann zwei Flaschen und wir revanchierten uns mit dem leckeren Simmerner Kuchen. Dazu las uns Josef noch eine Geschichte über den Schinderhannes aus seinem berühmt, berüchtigten Büchlein vor.



Bevor es wieder stockdunkel wurde, hoben wir die fröhliche Runde auf und ritten zu unserem heutigen Quartier, der Dilligsmühle, geführt von der Tierärztin Dr. Christiane Pries und ihrem Mann Christoph.
Hier standen die Pferde in sehr großzügigen, überdachten Paddocks und wir genossen die professionelle Versorgung im Haus.



 

 

Sonntag, 8. Tag
Der letzte Tag unserer Reise war angebrochen. Das Wetter war seit gestern kontinuierlich etwas besser geworden und ab und zu lugte die Sonne durch die Wolken und versüßte uns die trüben Gedanken an das Ende des Weges.
Nach dem Satteln ein letztes Bild, gemeinsam mit den beiden Damen, die uns schon in Womrath über den Weg geritten waren und los ging´s.

 

 

 

 

 

Der letzte Tag begann gleich mit einem ausgiebigen Frühstück für unsere Pferde in der Gestalt von grünem Gras, da sie über Nacht nur Heu hatten und dann ganz scharf auf alles Grüne sind.
Übrigens, nicht das ihr euch wundert. Auf den Bildern grast Leo bei kurzen Rasten mit den Zügeln auf dem Boden. Das ist kein unbedachtes Sicherheitsrisiko, sondern wurde ihm von Hanspeter so beigebracht und ist in kurzen Ruhepausen sehr nützlich. Wenn Leo darauf tritt, reißt er nicht den Kopf hoch, sondern setzt den Fuß einfach wieder herunter. Wir haben die dafür geeigneten Pferde früher in den Pausen auf kanadische Art gehobbelt. Hierbei wird der Anbindestrick vom Halfter mit ca. 40cm Länge an ein vorderes Fesselbein gebunden. Wichtig sind hierbei die richtige Seilstärke, mehrere Umwicklungen und der richtige Knoten, der sich nicht zuziehen kann. Bis das ohne Aufregung des Pferdes funktioniert, ist natürlich einiges an erzieherischer Vorbereitung notwendig. Am Ende steht aber, dass das Pferd keinen Gedanken mehr an ein Weggehen hat und auch mit herabhängenden Zügeln im nahen Umkreis frisst und es müsste schon viel passieren, bevor Leo wegläuft. Natürlich nehmen wir bei längeren Pausen das Gebiss heraus und lassen nur den Anbindestrick auf dem Boden liegen.
Mit Leo als „Fels in der Brandung“ konnten wir die beiden anderen in den Pausen ganz beruhigt ebenfalls frei grasen lassen. Ohne Leo wären die beiden niemals weiter weggegangen.
Übrigens, wenn Leo wirklich einmal so erschrecken und in Panik wegrennen würde, haben die Westernzügel Sollbruchstellen. Sie sind vorne am Gebiss nur mit einem dünnen Lederriemchen verbunden, das eher reißt, als der Kiefer verletzt wird.

Disziplin: unangebunden grasen
Das ist wegen des Restrisikos vielleicht nicht jedermanns Sache, aber nichts desto trotz sehr nützlich. Man kann bei der Rast im Schatten sitzen und essen, während das Pferd auf der Wiese grast. Diese Erziehung habe ich auch bei Maggie angefangen. Die meisten Pferde antworten auf Druck mit Gegendruck. Auch beim Angebundensein, reagieren viele Pferde auf Zug des Anbindestricks sehr sensibel und manchmal versuchen sie sich loszureißen. Sie können sich dabei schwer verletzen. Vor allem wenn sie zusätzlich noch den Hals dabei hin- und herdrehen. Haben sie dann vielleicht noch ein dünnes Knotenhalfter an, kann eine Verletzung des Atlas schlimme Folgen haben. Um dem entgegenzuwirken, gewöhnen wir die Pferde mit Hilfe des am Boden schleifenden Anbindestricks daran, nicht dagegen zu ziehen. Anfänglich reißen die meisten Pferde den Kopf hoch, sobald sie auf den Strick treten und Zug darauf kommt. Das tut jedoch höchstens dem Strick weh, der zwischen Boden und Huf durchgezogen wird. Nach mehreren  Versuchen werden sie in der Regel schlauer, regen sich nicht mehr auf und überlegen erst. Schnell merken sie, dass sie einfach nur den Huf vom Strick nehmen müssen, um wieder frei zu kommen. Ist dies nicht der Fall, ist das Pferd für diese Art der „Anbindung am Boden“ nicht geeignet.
Maggie hat sich auch hier wieder einmal mustergültig verhalten. Sie hat nicht ein einziges Mal gezogen. Sie fraß erst so lange im durch den Strick begrenzten Umkreis weiter, bis das gute Gras aus war, nahm dann den Huf vom Strick und ging einfach weiter zum nächsten leckeren Fleck. Wirklich Super, das ich ihr hier keine weitere Hilfestellung zu geben brauchte.

Im kleinen Kümbdchen wurde gleich wieder aus ungewöhnlichen Behältern getrunken. In unserem Fall waren es wieder mal Dorfbrunnen.




Auf großen Flächen entstehen überall im Hunsrück Windradparks. Wir zählten einmal von einer Stelle aus 38 Windräder. Na ja, wir finden regenerativen Strom auch gut, aber ob wir diese Mengen an Windräder gut finden? Wir sind uns darüber nicht ganz im Klaren.



Jedenfalls kamen wir an Baustellen von Windrädern vorbei und konnten nicht umhin die riesigen Löcher für die Fundamente eines solchen Kolosses zu bewundern und den nebenan im Bauwagen wohnenden Arbeitern einige Fragen zu stellen.

 

 

 

Kurze Zeit später, kurz vor unserem Ziel, trafen wir doch tatsächlich noch einen alten Bekannten. Dr. Fritz, mit dem vor allem Hanspeter schon lange Ritte erlebt hat, kam uns mit einer wunderschönen Kutsche entgegen.



Nach einem kurzen Gespräch, das Pferdchen vor der Kutsche war auch noch jung und wollte dringend weiter, ritten wir noch ein paar Kilometer und stiegen auf der Anhöhe vor Schnellbach ab und führten zu unserem Ziel, dem Haus am Schnellbach.
Meine Frau erwartete uns schon mit meiner Tochter und einem unserer Hunde.



Wir stellten die Pferde noch einmal in die Wiesen Paddocks hinter dem Haus und fuhren mit Jutta zur Hierer Mühle, wo wir unsere Gespanne holten. Aber nicht, ohne vorher noch eine leckere Forelle zu essen, wobei uns Jutta noch einen zweiten Exkurs in Sachen Kunst gab und uns mit der passenden Musik „das tanzende Paar“, eine Bronzeplastik in  außergewöhnlicher Silberpatinierung, vorstellte.

 

 

 

 

 

Nach diesem letzten Geschmack von Urlaub und Kunst, fuhren wir mit den Gespannen nach Schnellbach und luden unsere Pferde ein.

 

 

 

 

 

 

 


Wie auch schon bei den früheren Fahrten, ging Maggie, nicht begeistert, aber doch mit wenig Überredungskunst in den Hänger hinhein. Hier auf dem Bild nutzen wir einfach mal Marco sozusagen als Nachhut. Wo Marco steht, passt schon mal keine Maggie mehr hin und so ging sie halt einfach in den Hänger.
Dies ist nun das Ende unserer kleinen Story vom Wanderritt im Hunsrück. Natürlich hätte ich noch viel mehr über unsere Erlebnisse schreiben können, aber wenn ich fertig bin, würde wahrscheinlich ein Buch daraus. Ich habe versucht den Schwerpunkt auf die Erlebnisse zu legen, bei denen das Vertrauen zum Reiter, die Erziehung, die Erfahrung, die Haltung und der Mut des Pferdes eine bedeutende Rolle spielen. Wie wir Menschen ist auch jedes Pferd einzigartig. Als Herden- und Fluchttier sind sie zu bewundern, weil sie trotz dieser kontraproduktiven Instinkte zu fast allem zu bewegen sind. Man muss ihnen aber auch die Zeit geben, sich zu entwickeln. So toll Maggie sich als fünfjährige auf diesem Ritt auch benommen hat, meine Mitreiter waren total begeistert, so gab es doch auch das ein oder andere Verhalten, das nur ein routinierter und von Gelassenheit und Optimismus beseelter Reiter gleichmütig hinnehmen kann. Mit 8 oder 9 Jahren wird Maggie noch einmal ein völlig anderes Pferd sein. Zu meiner Freude kann ich aber nach diesem Ritt sagen, dass Maggie nicht nur tolle Reiteigenschaften, sondern auch beste Voraussetzungen für ein Wanderreitpferd mitbringt. Da auf mich und meine Frau noch einige unserer selbst gezogenen Jungpferde warten, die im nächsten Frühjahr wieder zum Anreiten bereit sind und die auch auf ihre ersten Wanderritterfahrungen hoffen, wollten wir Maggie ja eigentlich abgeben. Nach meinen sehr positiven Erfahrungen auf diesem Ritt, möchte ich mich aber nicht mehr gerne von dieser hervorragenden Stute trennen.

Manfred Reiss
O Pica Pau

Stationsadressen:
Hierer Mühle, Christian Classen,
56154 Boppard/Ney, www.landgasthof-hierer-muehle.de
Haus am Schnellbach, Harald Timmler,
Oberstrasse 28, 56290 Beltheim/Schnellbach, 06746/8736, www.haus-am-schnellbach.de
Isländerhof, Aart und Geke Vliem, Hauptstr. 1, 56865 Panzweiler bei Blankenrath, 06545/911883
Dieter Schultheis, 55758 Sonnschied, Hauptstr. 22 , Telefon 0175/8035818 Keine Wanderreitstation Beate Lamp, Weiler
Helmuth Bauer, Womrath
Christiane und Christoph Pries, Dilligsmühle, Simmern

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