Wanderreiter wollen sie werden. Ihre Leidenschaft für Pferd und Natur ausleben. Das haben sie gemeinsam. 9 Reiterinnen und Reiter, die sich für den Wanderreitlehrgang der VFD (Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland) auf der MIMAMEID (Gästehaus mit Bett und Box) in Vrees angemeldet haben. Ansonsten ist die Gruppe so breit gefächert, wie man es sich kaum vorstellen kann. Tanja Michel, Wanderreitausbilderin, stellte sich der Herausforderung zu Beginn des Lehrgangs mit etwas Skepsis. Zwei Tage Theorie mit Praxis und ein darauffolgender zweitägiger Wanderritt lagen vor ihr und der kunterbunten Gruppe.
Zu Beginn des Kurses wurde sich gegenseitig vorgestellt. Da ist die erfahrene Wanderreiterin, die sich nun vom Lehrgang den letzten Feinschliff erhofft bis hin zur Reiterin, die bisher nur Erfahrungen bei längeren Ausritten gesammelt hat. Eine junge Frau mit Mann und vier Kindern zuhause freut sich auf ein Wochenende fernab der Heimat, an dem sie mit ihrem Pferd ohne Unterbrechung Zeit verbringen kann. Ein Unternehmer erhofft sich Erfahrungen für seinen neuen Reiterhof und hat gleich zwei Angestellte mitgebracht. Es haben sich Männer und Frauen unterschiedlichsten Alters zusammengefunden. Der älteste Teilnehmer ist 72 Jahre alt, die Jüngste ist 22 Jahre alt. Und auch die Vierbeiner sind „querbeet“. Kaltblüter, Warmblüter, Ponys, Pferde, Schimmel und Rappen und alles was es dazwischen noch zu finden gibt. Ein Pferd wollte sich gar nicht anpassen und wurde dank des guten Reiters dann doch für annehmbar gehalten. Es musste mit Abstand von den anderen Pferden hinten in der Gruppe reiten. Es stellte sich im Verlauf des Wanderrittes heraus, dass gerade seine Position mit Mike auf dem Rücken für die Gruppe eine sichere Bank am Ende des Trosses darstellte.
Doch bevor es auf die Pferde ging, hatte die Gruppe allerhand Theoretisches und Praktisches zu lernen. Auf dem Stundenplan standen neben der Planung und Vorbereitung von Wanderritten (inkl. Quartiersuche) insbesondere auch die Unfallverhütung und diverse Sicherheitsmaßnahmen. Den Lehrgangsteilnehmenden wurde das Verhalten im Straßenverkehr, das Bilden eines Verbandes nach der Straßenverkehrsordnung, das Absichern des Pferdes für Reiten bei Dunkelheit sowie rechtliche Vorschriften in Wald und Flur nähergebracht.
Dann ging es zu den Pferden. Korrektes Aufsatteln, Aufzäumen und Anbringen von Zusatzausrüstung wurde von Tanja Michel anschaulich dargestellt. Das Verhalten in einer Reitgruppe wie Halten und Wechseln der Position bei einem Wanderritt wurde vor Ort geübt. Ebenso wie das Durchlaufen eines Gewässers anhand des auf dem Hof vorhandenen Teiches. Spätestens jetzt waren sich alle Reiterinnen und Reiter bewusst, was am Wanderritt auf sie zukam. Der anfänglichen Euphorie mischte sich eine große Portion Respekt bei und zweifelnde Blicke wurden ausgetauscht. Schaffe ich das? Bin ich ausreichend vorbereitet? Tanja Michel verharmloste nichts und machte mit aller Deutlichkeit auf mögliche Gefahren aufmerksam aber versprach auch eine große Freude und tolle Erlebnisse, die so ein Wanderritt mit sich bringen kann.
Im weiteren Verlauf des Tages wurde das Binden von verschiedenen Knoten geübt und die Strecke für den geplanten Wanderritt mittels Kompasses und Karte selbst ermittelt. Letzteres stellte sich beim anschließenden Wanderritt als gar nicht so einfach dar, galt es anhand einer Karte und nicht mittels GPS-System am Handy die richtige Route zu finden. Jeder Reitende hatte nämlich für einen bestimmten Streckenabschnitt die Verantwortung.
Am Samstagmorgen ging es dann los. Ziel des Tages war der Pferdehof von Stefan Lembeck in Auen. Alle 10 Pferde wurden von Tanja Michel auf ihre Reittauglichkeit beurteilt und bestanden den strengen Blick der Lehrgangsleiterin. Doch wer dachte, er könne sich nun auf sein Pferd schwingen, hatte weit gefehlt. Die ersten zwei Kilometer wurden durch den an der MIMAMEID angrenzenden Eleonorenwald zu Fuß zurückgelegt. Erst dann wurde aufgesessen und die Gruppe bewegte sich etwas zügiger. Beim ersten Halt war kurz Gelegenheit sich die Beine zu vertreten und etwas zu Trinken. Vorhandene Giftpflanzen wurden in Augenschein genommen. Und schon ging es weiter. Es kehrte Ruhe in die Gruppe ein und es entstand ein Vorgeschmack auf das erfüllende Gefühl, welches ein Wanderritt in der Natur vermitteln kann. Aufregung machte sich dann in der Gruppe breit, als die vielbefahrene Straße von Vrees nach Peheim beritten werden musste. Theoretisch wussten sie bereits, dass ein Verbund gebildet werden muss. So gibt es die Straßenverkehrsordnung her. Der Fahrradweg ist tabu. Es galt, zu zweit nebeneinander im geringen Abstand zum Vorder- und Hintermann auf der Hauptstraße zu reiten. Hochkonzentriert wurde die richtige Position eingenommen.
Die vorbeifahrenden Autos machten die Sache nicht einfacher. Am Ende waren alle erleichtert, als sie den Ritt auf einem Feldweg fortsetzen konnten. Nach weiteren Pausen, in denen die Pferde geruhsam grasen konnten, kamen alle erschöpft aber glücklich in Auen an. Nach guter Reitermanier wurden zuerst die Pferde versorgt. Dann erst wurden die Zimmer bezogen. In gemütlicher Abendrunde am Grill fand der aufregende erste Reittag seinen Ausklang.
Am nächsten Morgen wurden nach dem Frühstück die Pferde gesattelt und bepackt. Den ersten Streckenabschnitt wurden die Pferde wiederum geführt. Auf der viel befahrenen Linderner Straße ging es nun schon etwas geübter im Verband weiter. Da die Straße sehr uneinsichtig ist, war es umso wichtiger, die richtigen Meldungen von hinten nach vorne bzw. umgekehrt kund zu tun. „Auto von vorne“, „Auto von hinten“, „Angekommen“ wechselten sich durchgängig ab. Es gab durchaus rücksichtslose Autofahrer, die mit hoher Geschwindigkeit die Reitergruppe überholten. Selbst bei herannahendem Gegenverkehr wurde überholt, so dass sich sogar einmal zwei Autos direkt neben der Reitgruppe auf der Gegenfahrbahn gegenüberstanden. Alle waren mehr als erleichtert, als sie diese Strecke hinter sich hatten. In der Regel bevorzugen Wanderreiter Nebenstraßen, aber in diesem Fall konnte die Marka bzw. die Mittelradde an keiner anderen Stelle überquert werden.
Der Rückweg war mühsam. Immer wieder kam es zu Zwischenfällen, die einen Halt der Gruppe verursachten. Mal verlor ein Reiter ein Gepäckstück, mal war das Suchen nach dem richtigen Weg zeitaufwändig. Die Gruppe hatte sich inzwischen aber gut zueinander gefunden, so dass alle sich jeweils in Geduld übten und der Zusammenhalt trotz aufkommender Ungeduld bei Pferd und Reiter keinen Schaden nahm. Als sich dann in der Bockholter Gemarkung endlich eine Strecke für eine längere Trabeinheit bot, war alles vergessen und Pferde und Reiter entspannten sich sichtlich.
Die Reflexion kurz vor der Abreise aller Teilnehmenden machte es deutlich: ein guter Wanderreiter zu werden ist eine umfassende Aufgabe die nur durch Übung, Respekt und Verantwortung gegenüber dem Pferd erfolgreich gemeistert werden kann. Im Frühjahr 2025 besteht für alle die Möglichkeit, an der Prüfung zum VFD Wanderreiter in Vrees teilzunehmen.
Der Kurs wurde gesponsert von der Uelzener Versicherung