Update: Um dem Anspruch an ausreichend freier Bewegung gerecht zu werden, braucht es Ausläufe und Weiden. Kontrollierte Bewegung, Reiten (z.B. unter dem Sattel) beinhaltet nicht die gleichen Bewegungsabläufe wie die freie Bewegung und kann diese nicht vollständig ersetzen.

11.06.2012: Lösen in Vorwärts-Abwärts-Dehnung und Dauer sowie Qualität der Beschäftigung sind wichtig. Der „Motor“ für die Bewegung sitzt in der Hinterhand - sie schiebt den Pferdekörper vorwärts.

Der „Motor“ für die Bewegung sitzt in der Hinterhand.

Sie schiebt den Pferdekörper vorwärts. (Schieben ist weniger energieaufwendig als Ziehen!) Bei hoher Kopfhaltung ist die Muskelkraft der Hinterhand für Schub und Heben des Pferdekörpers zuständig. Bei abgesenktem Hals und Kopf (also beim Fressen) zieht das – im Gegensatz zur Muskulatur nicht ermüdbare – Nackenband den Widerrist nach vorne auf und hält damit den Rücken oben. Die Hinterhand muss also deutlich weniger Arbeit leisten, weil sie den Rücken nicht mehr heben muss. Deshalb ist das Lösen in Vorwärts-Abwärts-Dehnungshaltung so wichtig und Weidegang für Pferde mit Rückenverspannungen eine gute Therapie! Auch die Hufe sind an die stetige langsame Fortbewegung angepasst und auch darauf angewiesen. So ist die Hufwand im vorderen Bereich (der Zehe) deutlich dicker als hinten an den Trachten, weil insbesondere die Vorderhufe durch den zum Fressen tief gehaltenen Kopf und Hals im Zehenbereich mehr Last tragen müssen. (Wer seinen Kopf und Oberkörper nach vorn neigt, kann das sofort nachempfinden.) Diese Besonderheit in der Konstruktion des Pferdehufes ist mit ein Grund dafür, warum in Boxen gehaltene Pferde häufiger an Problemen leiden, die aus einem zu flachen Hufwinkel resultieren (zum Beispiel Hufrollenentzündung oder Trachtenzwanghuf). Denn sie verbringen die meiste Zeit des Tages mit hoch gehaltenem Kopf, wodurch die Trachten vermehrt belastet und abgenutzt werden. Angewiesen sind die Hufe – und Pferdebeine – auf eine stetige Fortbewegung insofern als der beim Laufen entstehende Hufmechanismus (das Aufweiten der Hufkapsel im hinteren Bereich und das gleichzeitige Absenken der Hufsohle mit Bodenkontakt des Strahls) die „Blutpumpe“ für den venösen Rückfluss des Blutes nach oben in Richtung Herz bildet. Denn anders als wir besitzt das Pferd im unteren Teil des Beins keinerlei Muskulatur mehr. Die Bewegung in Fessel-, Kron- und Hufgelenk läuft ausschließlich über die Hebelkräfte von Knochen und Bändern. Bewegungsmangel führt also zu mangelnder Durchblutung, angelaufenen Beinen und daraus resultierenden Folgeschäden.

Pferdehaltung heute – wider die Natur?
Früher, als Pferde den ganzen Tag draußen arbeiten mussten, war die heute immer noch weit verbreitete Haltung in Einzelboxen sicher vertretbar. Die Tiere blieben nur über Nacht im Stall, um dort ohne Störung fressen und ausruhen zu können. Die meisten Pferde lebten beim Militär. Hier war rationelle und platzsparende Unterbringung besonders wichtig. Weil die Pferde jederzeit verfügbar sein mussten, wurden sie angebunden. Diese aus einer Notlage entstandene Haltungsform entwickelte sich in der Folgezeit zur Norm. Für das Pferd als Freizeitpartner sind sie jedoch als nicht artgerecht abzulehnen. Neben der Gruppenhaltung auf der Weide kommt die Laufstallhaltung der natürlichen Haltung am nächsten (vergleiche Tabelle).

Braucht jedes Pferd gleich viel Bewegung?
Auch der engagierteste Pferdefreund wird seinem Pferd keine 16 Stunden Beschäftigung pro Tag bieten können. Wie erkenne ich nun, wie viel Bewegung gut ist für mein Pferd? Die in der Fachliteratur vielfach zu lesenden Angaben in Strecke pro Tag schwanken zwischen sechs und mehr als 30 Kilometer und sind zudem wenig aussagekräftig, da man diese Entfernungen abhängig von der Geschwindigkeit in viel oder wenig Zeit zurück legen kann. Für das Pferd spielt aber eher die Dauer und daneben auch die „Qualität“ der Beschäftigung eine Rolle. Will heißen, für das, was wir dem Pferd abverlangen, sollte es auch seinen Kopf anstrengen müssen. Gute Beispiele dafür sind die Spanische Hofreitschule in Wien oder auch anspruchsvolle Zirkusarbeit. Hier stehen die Pferde – in der Regel Hengste – außerhalb ihrer „Arbeitszeit“ in Boxen (früher waren sogar Ständer). Freien Auslauf oder Weidegang gibt es nicht. Trotzdem herrscht in den Stallungen Ruhe und Ausgeglichenheit. Und die Pferde sind oft bis ins hohe Alter leistungsfähig. Dennoch sollte der Freizeitreiter diese Extrembeispiele nicht als Entschuldigung dafür sehen, sein Pferd herumstehen zu lassen. Generell kann man sicher sagen: Junge Pferde besitzen ein ausgeprägteres Bewegungsbedürfnis als ältere; ebenso Pferderassen mit hohem Vollblutanteil.

So verschaffen Sie Ihrem Pferd ausgewogene Bewegung

  • Mindestens 60-90 Minuten einmal täglich, besser nochmals 30-60 Minuten zusätzlich im Schritt (Hier kann auch eine Führmaschine gute Dienste leisten.)
  • Ausreichend lange Aufwärmphasen – mindestens 20 Minuten
  • Viel Abwechslung beim Training
  • Vermeiden Sie unkontrolliertes „Laufen lassen“
  • Wo möglich Weidegang, ansonsten regelmäßiges Grasen lassen an der Hand
  • Gestalten sie Laufstall und Auslauf so, dass die Pferde gezwungen sind, sich viel zu bewegen (zum Beispiel möglichst weite Entfernung zwischen Tränke und Futterplatz, „Einbahnstraßensystem“ zwischen den einzelnen Stallbereichen etc.)


Weitere Informationen und Mehr über die Arbeit von Karin Kattwinkel

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