WOLF-DETERRENT FENCING FOR HORSES: BEST PRACTICE IN LOWER SAXONY in deutscher Version: Wolfsabweisende Zäune in der Pferdehaltung - ein Praxisbericht aus Niedersachsen - Originalartikel: Erschienen in der 23. Ausgabe des Newsletter ‚Carnivore Damage Prevention News‘ (CDPnews).

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe (englisch) liegt auf dem Thema „Herdenschutz in der Pferdehaltung“. (S. 32-36)  Link

Die Pferdehaltung in Wolfsgebieten wirft viele Fragen auf. Zudem gibt es viele Unsicherheiten, Unwahrheiten kursieren und es liegen kaum belastbare Erfahrungen und Daten aus dichtbesiedelten Kulturlandschaften zum Thema vor. Seit 2017 berät und unterstützt das Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“ des Naturschutzbundes (NABU) Niedersachsen Weidetierhaltungen in Bezug auf wirkungsvolle Herdenschutzmaßnahmen vor Übergriffen durch den Wolf (Canis lupus lupus). Stehen Schaf- und Ziegenhaltungen im Hauptfokus, dürfen aber auch die Rinder- und Pferdehaltungen nicht vergessen werden.

Im Jahr 2020 wurden in Niedersachsen 13 Ereignisse als Wolfsübergriff auf Pferde gemeldet. In sechs von diesen Meldungen war keine Beteiligung eines Wolfes nachweisbar, sieben weitere Fälle wurden nachweislich von Wölfen verursacht, dabei wurden sechs Pferde getötet und vier verletzt. Seit 2018 wurden in diesem Bundesland insgesamt 11 nachgewiesene Wolfsübergriffe auf Pferde gemeldet, insgesamt wurden dabei neun Pferde getötet und zehn verletzt. Keine der betroffenen Pferdeweiden verfügte über einen wolfsabweisenden Zaun (NLWKN, 2021). Erforderlich wären hier genaue Untersuchungen, welche Faktoren zu solchen bis dahin nicht vorgekommenen Übergriffen geführt haben (könnten). Die Ereignisse zeigen, dass in Gebieten, in denen gehäuft Übergriffe von Wölfen auf Pferde erfolgen, die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen notwendig wird. Das Land Niedersachsen hat daraufhin Fördermöglichkeiten für die Anschaffung wolfsabweisender Zäune auch für Pferdehaltungen nach der Förderrichtlinie Wolf geschaffen (LWK, 2021a). Unabdingbar für die Umsetzung wirkungsvoller Herdenschutzmaßnahmen ist eine professionelle Vor-Ort-Beratung sowie eine individuelle Betrachtung jeder Weidefläche.

Das Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“ hat bisher 27 Pferdehaltungen vor Ort beraten, 11 von diesen wurden mit geschultem ehrenamtlichen Personal beim Bau einer wolfsabweisenden Zäunung aktiv unterstützt. So konnten durch die Projektaktivitäten bisher fast 50 ha Pferdeweiden mit ca. 15 km wolfsabweisenden Zäunen versehen werden. Wichtig ist es, die Erfahrungen, die durch diese Umsetzung bereits gemacht wurden und zukünftig gemacht werden, vor allem in Bezug auf wolfsabweisende Wirkung, Hütesicherheit und Risikobewertung für Pferde, Pflegeaufwand der Zäunungen sowie Wilddurchlässigkeit zu sammeln und auszuwerten.

Die Vielfalt bestehender Zaunsysteme im Pferdebereich ist kaum zu beziffern und die Realität zeigt, dass der fachgerechte Verbau oftmals vernachlässigt wird. Grundsätzlich können stationäre, halbstationäre und mobile Zäune, Kombinations-, Außen- und Innenzaun unterschieden werden (Hoffmann, 2019). Dabei gelten klare Vorgaben für verwendbare Materialien und Bauweisen vor allem in Bezug auf Hütesicherheit und Minimierung der Verletzungsgefahr (Hoffman, 2019; aid, 2016). Eine wolfsabweisende Funktion war hierbei bisher nicht erforderlich. Um das Risiko von Wolfsübergriffen zu minimieren, ist ein flächendeckender Herdenschutz von Weidetieren erforderlich, je nach Risikoeinschätzung auch von Pferden. Pferde wie Wölfe reagieren höchst empfindlich auf Stromreize (Faß, 2018), weshalb Elektrozäune für eine optimale Hütesicherheit und einen effektiven Herdenschutz sorgen. Der Mensch trägt die Verantwortung, Weidetiere auch vor Beutegreifern zu schützen, diese Pflicht ergibt sich auch aus den gesetzlichen Vorgaben (VFD, 2020a; Bundesamt für Justiz, 2020).

Bereits im Jahr 2015 wurde das Thema Pferd und Wolf intensiv beleuchtet (NABU, 2015) und 2019 berieten in einer niedersächsischen Expertenrunde aus Naturschutz, Landwirtschaft, Pferdehaltung, Sachverständigen, Tierschutz, Veterinärbehörden, Wissenschaft, Wolfsexperten und Weidezaunbau zum Thema wolfsabweisender Zäunungen im Pferdebereich. Daraus folgten Empfehlungen und klare Vorgaben für eine Förderfähigkeit in bestimmten Gebieten (LWK, 2020).

Die Höhe eines Pferdezaunes ergibt sich aus der erforderlichen Hütesicherheit und wird mit ca. 80% der Widerristhöhe angegeben (aid, 2016). Für die wolfsabweisende Wirkung ist der Abstand der unteren elektrischen Leiter zum Boden und zueinander wesentlich, da Wölfe in der Regel Hindernisse untergraben oder unter ihnen hindurchschlüpfen (AGRIDEA, 2020). Daraus folgt beispielsweise für Großpferde ohne Hengste ein Zaunsystem mit sechs elektrischen Leitern in 20, 40, 60, 80, 110, 140 cm vom Boden (Abb. 1). Wichtig bei Zäunungen in der Pferdehaltung ist die Sichtbarkeit der elektrischen Leiter für das Pferd; dünne Litzen oder gar Glattdraht sind schlecht wahrnehmbar und können im Falle von -bei Pferden rasch vorkommenden- panischen Fluchtreaktionen tiefe Schnittwunden hervorrufen. Daher wird von diesem Leitermaterial dringend abgeraten (Faß, 2018) bzw. sind Glattdraht, Stacheldraht und Knotengitter als alleinige Umzäunung für Pferdeweiden äußerst verletzungsträchtig bzw. tierschutzwidrig (aid, 2016). Wichtig ist die Nutzung hochleitfähiger elektrischer Leiter, um eine hohe Stromspannung zu erlangen sowie eine Abstimmung der verbauten Zaunkomponenten aufeinander, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Ob Neubau, Aufrüstung oder mobile Lösungen für eine wolfsabweisende Zaunanlage, die Möglichkeiten sind vielfältig und es bedarf immer einer individuellen Anpassung. Aus diesem Grund sind die auch vom Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“ angebotenen einzelbetrieblichen Vor-Ort-Beratungen essenziell für eine optimale Umsetzung. Die Erfahrung zeigt, dass im persönlichen Kontakt vorgestellte Lösungen mit geeigneter Technik sehr gut angenommen werden und dann durch ihre Funktionalität überzeugen. Bewährt hat sich nach den Projekterfahrungen der Einsatz von Pferdezaundraht, ein kunststoffummantelter, stromleitender Stahldraht. Dieser bietet neben guter Sichtbarkeit durch seine weiße Ummantelung, den Vorteil einer guten Stromführung mit minimalem Verletzungsrisiko sowie einer extrem langen Haltbarkeit.

Pferdezaun 3 klein
Abbildung 1: Pferde hinter wolfsabweisendem Elektro-Festzaun (Pferdezaundraht)

Es ist bei diesem gut gespanntem elektrischen Leitermaterial kaum möglich, dass Pferde sich beim Wälzen, Scharren, Hindurchtreten oder anderen Aktivitäten in Schlingen verfangen. Auch die Anfälligkeit für Schnittverletzungen ist aufgrund des 7 mm starken Außenmaterials gering. Alternativen können nach einer projekteigenen Umfrage von beratenen Pferdehaltungen elektrische Leiter wie Seile oder dünne, bei physischer Belastung rasch reißende Litze bieten. Es wurden von einzelnen Pferdehaltungen mit bereits umgesetzten Maßnahmen weiterhin Bedenken zur Verletzungsanfälligkeit vor allem durch den elektrischen Leiter in 20 cm Höhe vom Boden geäußert. Jedoch wurde auch in diesen Betrieben selbst in den letzten Jahren registriert, dass die Pferde den Zaun mit hoher Stromspannung eher meiden als sich zu nähern. Aktuelle Konsultationen von Pferdehaltungen, Landwirtschaftskammer, Wolfs- und Weidezaunexperten ergaben weder Hinweise auf ein erhöhtes Verletzungsrisiko noch gab es Berichte von Verletzungen durch die Installation von wolfsabweisenden Komponenten bei Verwendung empfohlenen Materials. Adäquate Weidegrößen, Futterangebot und Herdenmanagement (VFD, 2020b) sowie eine artgerechte Pferdehaltung (Wendorff, 2015) werden vorausgesetzt.

Wesentliche Erfolgsfaktoren für ein wirkungsvolles wolfsabweisendes Zaunsystem sind neben der Verwendung von hochleitfähigem und langlebigem Material, ein leistungsfähiges Weidezaungerät, ein den Bodenverhältnissen angepasstes Erdungssystem sowie der fachgerechte Verbau unter Nutzung zueinander passender Komponenten. Die Stromspannung sollte mindestens 4000 Volt betragen. Oftmals vernachlässigt wird die Sicherung von Toren und Gräben sowie die Entfernung von Einsprunghilfen und Untergrabemöglichkeiten außerhalb der Weide. Konkrete Hinweise zu den einzelnen Komponenten, Empfehlungen zur Zaunpflege sowie die Testmethode eines Erdungssystems hat das Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“ im Merkblatt „Wolfsabweisende Zäune auf Pferdeweiden“ zusammengefasst, verfügbar unter: Link (Abb. 2)

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Abbildung 2: Merkblatt „Wolfsabweisende Zäune auf Pferdeweiden“

In bisherigen Veröffentlichungen und Empfehlungen werden außen am Zaun angebrachte untere elektrische Leiter empfohlen (DLG, 2020). Dies ist allerdings nach Projekterfahrungen aus Gründen der Effizienz beim Zaunbau sowie bei der Pflege eher hinderlich und zur Vermeidung von einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit den beschriebenen Erfahrungen nach nicht notwendig. Jedoch kann es sinnvoll sein, mit Abstandhaltern im Innenbereich zu arbeiten, um Pferde vom Außenzaun fernzuhalten. Solche individuellen Lösungen hängen von der jeweiligen Situation, vom Verhalten der Pferde und von anderen Einflüssen der unmittelbaren Umgebung ab und können nicht allgemeingültig festgehalten werden. Die entstehenden Kosten für den Verbau eines Zaunsystems müssen von der Tierhaltung getragen werden, eventuelle Hindernisse wie Naturschutzfragen oder Unklarheiten im Baurecht (Niedersächsische Staatskanzlei, 2020) bedürfen vorab der Klärung. Daher gilt wiederholt die Empfehlung, eine professionelle Vor-Ort-Beratung hinzuzuziehen, denn eine Investition kann sich -sinnvoll geplant- durch Langlebigkeit und Wartungsarmut rentieren.

Ein erheblicher Mehraufwand kann das notwendige Freihalten des Elektrozaunes von Bewuchs sein. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die penible Vorbereitung, also idealerweise das Einebnen der Zauntrasse. Dadurch wird der Einsatz von Mähtechnik deutlich vereinfacht. Diese oftmals als unzumutbare Belastung dargestellte Notwendigkeit der steten Pflege der Schneise ist unentbehrlich für den dauerhaften und störungsarmen Betrieb von Elektrozäunen (Faß, 2018) und wird bereits vielfach von Tierhaltungen durchgeführt. An dieser Stelle ist zum einen die Anerkennung der zu leistenden Mehrarbeit, zum anderen auch Respekt vor denen, die dies tagtäglich bereits tun, wünschenswert.  

Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist die Wilddurchlässigkeit von wolfsabweisenden Zaunsystemen. Befürchtungen und Behauptungen, diese würden zu einer Zerschneidung wertvoller Landschaftsbestandteile führen (Landvolk Niedersachsen, 2019) und somit für Wild unpassierbare Zonen schaffen (Aktionsbündnis Pro Pferd e.V., 2019), können in Bezug auf fünf- oder sechsreihige Elektrozäune nach bisherigen Erkenntnissen nicht geteilt werden. Gerade diese Art von Zäunungen sind Berichten, Beobachtungen sowie Aufnahmen von Wildkameras zufolge als wilddurchlässig zu bezeichnen. Kleinere Wildtiere wie Reptilien und Amphibien, Füchse, Marder und Hasen unterkriechen den untersten elektrischen Leiter leicht, Rotwild springt über den Zaun und Rehwild hindurch. Außerhalb der Weiden bleiben außer dem Wolf noch das Wildschwein und wildernde Hunde (VFD, 2019). An dieser Stelle ist sicher weitere Forschung notwendig, um fundiertere Aussagen treffen zu können. Ferner gilt es, auch die Entwicklung intelligenter, wolfsabweisender Maßnahmen und Forschungen zum digitalen Herdenschutz voranzubringen (Aktionsbündnis Pro Pferd e.V., 2019), um mit der Zeit zu gehen.

In zwei vom Projekt beratenen Pferdehaltungen kamen auch gut sozialisierte Herdenschutzhunde ohne Probleme zum Einsatz. Analog zum Thema Zäune gibt es auch in Bezug auf Herdenschutzhunde viel Unwissen und große Befürchtungen. Es existieren aber bereits viele Gebiete und Tierhaltungen, die umfangreiche Erfahrungen mit Herdenschutzhunden sammeln konnten, wie eine Haltung bei Pferden gelingen kann (Abb. 3). Sicher ist der Einsatz von Herdenschutzhunden nicht für jede Pferdehaltung passend - anders als wolfsabweisende Zäune. Diesem speziellen Thema muss entsprechender Raum gegeben werden, an dieser Stelle kann nur für Vernetzung und für sachliche Öffentlichkeitsarbeit geworben werden.

HSH Birgit Gerigk
Abbildung 3: Herdenschutzhunde in der Pferdehaltung

Literatur:

AGRIDEA (2020) Verhalten von Großraubtieren gegenüber Zäunen, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021)

aid infodienst (2016): Sichere Weidezäune, 6. Auflage, Link verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021)

Aktionsbündnis Pro Pferd e.V. (2019) Wölfe und Pferde - Der Wahrheit ins Auge sehen und endlich taugliche Lösungen finden, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 19.01.2021)

Bundesamt für Justiz (2021) Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung - TierSchNutztV), § 3 Allgemeine Anforderungen an Haltungseinrichtungen, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

DLG (2020) Herdenschutz gegen den Wolf, DLG-Merkblatt 455, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

Faß F (2018) Wildlebende Wölfe: Schutz von Nutztieren – Möglichkeiten und Grenzen. Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart. 

Hoffmann G, Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (2019) Pferdehaltung, Ställe & Reitanlagen - Orientierungshilfen für Bau und Modernisierung, FN Verlag, Warendorf.

Landvolk Niedersachsen (2019) ZJEN drängt auf Wolfsmanagement, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 19.01.2021).

Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) (2020) Merkblatt für die Errichtung eines Herdenschutzzauns für Pferde gemäß der Richtlinie Wolf, verfügbar unter: Link  (zuletzt besucht 19.01.2021).

Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) (2021a) Richtlinie Wolf, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

NABU Bundesverband (2015) Pferd und Wolf – Wege zur Koexistenz, 1. Auflage 09/2015, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasser-, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) (2021) Nutztierrisse in Niedersachsen, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

Niedersächsische Staatskanzlei (2020) Lies: „Rechtlicher Rahmen für Vielzahl von Einzelfällen“ – Neue Wolfsverordnung steht kurz vor der Veröffentlichung – Niedersachsen bereitet Bundesratsinitiative zu Schutzzäunen vor, verfügbar unter: Link (zuletzt besucht 20.01.2021).

Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD) (2019): Schutz von Equiden (Pferde, Mulis, Esel) vor dem Wolf, Eine Information der VFD

Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD) (2020a) VFD Forderungen zum Herdenschutz 

Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. (VFD) (2020b) Herdenschutz beim Beweidungsprojekt in der Oranienbaumer Heide

Wendorff W (2015): Pferd und Wolf, Alte Bekannte – neue Gefahr?, Evipo Verlag,  Burgwedel. Link

Kontakt:

Peter Schütte, Herdenschutz Niedersachsen, NABU Niedersachsen e.V., Sunder 1, 29308 Winsen/Aller www.herdenschutz-niedersachsen.de

 

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