Reiten auf allen Wegen / Gleichberechtigt gehen dürfen – zu Pferd wie zu Fuß Von Birgit Hüsing

Seit ihrer Gründung setzt die VFD sich gegen Reitverbote ein. Genau zu diesem Zweck wurde sie 1973 gegründet, als ein generelles Reitverbot in allen westdeutschen Wäldern drohte. Unser Ziel ist das verantwortungsbewusste Reiten, Fahren, Säumen auf allen von der Allgemeinheit nutzbaren Wegen ohne Unterscheidung von Wald und freier Landschaft. Dafür fordern wir

… ein liberales, gleiches Reitrecht in ganz Deutschland: Für Wanderreiter ist es unverständlich, warum hinter der Landesgrenze plötzlich alles anders geregelt sein soll. Häufig kann man im Wald gar nicht erkennen, ob man sich in Bundesland A, B oder C befindet. Und doch darf man in Land A auf dem Weg reiten, in Land B nur führen (säumen) und in Land C sogar Kutsche fahren. Ähnlich ist es mit der Unterscheidung in „Wald“ und „freie Landschaft“:  In welcher Landschaftsform er sich bewegt und wie sie rechtlich zugeordnet ist, vermag der Reiter oft nur zu erraten, denn die Zahl der Bäume um ihn herum ist nicht immer das Entscheidende. 

...   freie Wege-Wahl: Je nach Trainingszustand, Wetterlage und Zeitfaktor möchten wir unterschiedlich lange Strecken mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden reiten können. Deshalb reicht die feste Reitweg-Runde um den Hof nicht aus. 

...   Vermeidung von behördlicher Besucherlenkung:  In der letzten Zeit häufen sich Vorschläge von Kommunen und Touristikverbänden, die den Reitern feste Routen-Angebote machen wollen. Ziel ist dabei häufig eine Trennung von verschiedenen Besuchergruppen. Für uns ein erster Schritt in Richtung Reitwege, verbunden mit Reitverboten auf den umliegenden Wegen, den wir grundsätzlich ablehnen. 

...   Wege-Markierungen nur als Orientierungshilfen und für alle Nutzer gleich: Gerne orientieren wir uns gemeinsam mit Wanderern und Radfahrern an markierten Wege-Netzen (roter Punkt, gelber Strich, blaues Quadrat) – wenn wir gleichzeitig auch alle anderen geeigneten Wege nutzen dürfen. Eine Ausschilderung von Reitwegen mit blauem Schild nach STVO bedeutet nicht nur eine Einschränkung für uns Reiter, sondern auch für alle anderen Waldbesucher, denn solche Reitwege dürfen von anderen Nutzergruppen nicht betreten oder befahren werden. 

...   Einschränkungen nur ausnahmsweise und in begründeten Fällen. Beispiele wären touristische Hotspots, sensible Naturschutzbereiche, Gefahrenstellen oder besondere Wasserschutzzonen. 

...   Beteiligung der Reiterverbände an jeder Vorschrift (Gesetz, Verordnung, Allgemeinverfügung, Reitverbotsschild) die das Reiten einschränken kann: Wir möchten informiert werden, mitreden und im Notfall auch die Chance haben, uns zu wehren.

Wie geht die VFD dabei vor?

In der Vergangenheit hat die VFD bereits viel bewegt. Auf allen Ebenen vom Verbotsschild vor Ort bis zu Aktionen auf Bundesebene sind VFDler aktiv und setzen sich für die Rechte von Reitern, Fahrern, Säumern und ihren Pferden ein. 

Vor Ort: Wir machen den Weg frei

Ein Landkreis in Nordrhein-Westfalen mit sogenannter „Freistellungsregelung“: Alle Wege im Wald dürfen beritten werden. Das passt leider nicht jedem Waldeigentümer, sodass wir häufig auf selbst aufgehängte Schilder mit Reitverboten oder auf gesperrte Wege treffen. Eine Schranke beispielsweise ragte rund zwei Meter über den Weg hinaus ins Unterholz, sodass weder Reiter noch Radfahrer oder Spaziergänger mit Kinderwagen sie passieren konnten. Wie in den meisten Fällen reichte ein Anruf bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB): Wurde das Schild rechtmäßig aufgehängt? Darf der Weg so abgeriegelt werden? – Nein, im Gegenteil:  Nach Landesnaturschutzgesetz handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. Im Fall der Schranke hat die UNB ein milderes Mittel gewählt und ihre Forstarbeiter mit einer Motorsäge vorbeigeschickt: Die überkragenden Holzteile wurden abgesägt und der Weg war für alle wieder frei. Auch viele Reitverbotsschilder verschwinden kurz nach Kontaktaufnahme mit den Behörden wieder.

Reitwege sind keine Lösung: Sie schränken Reiter extrem ein, und andere Naturbesucher dürfen dann ihrerseits die Reitwege nicht benutzen. 
Reitweg

Bundesländer: Wir ändern die Gesetze

Es ist gut, die Gesetze zu kennen. Manchmal ist es aber noch besser, sie zu ändern. Ob Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen:  In vielen Bundesländern hat die VFD durch langjähriges Dicke-Bretter-Bohren mittlerweile die   Aufhebung von generellen Reitverboten in den Landeswald- oder Landesnaturschutzgesetzen erreichen können. Dabei hilft in der Regel eine gute Zusammenarbeit mit anderen Reiterverbänden, namentlich der FN, und mit anderen Naturnutzern, also etwa Wandervereinen, ADFC oder Mountainbike-Vereinen. Ebenso wichtig ist eine gute Vernetzung zur Politik, zum Beispiel Landtagsabgeordnete oder Parteien, und zu Ministerien. Nicht zuletzt brauchen die VFDler jede Menge Geduld, denn so ein Gesetzgebungsverfahren dauert manchmal mehrere Jahre. Ganz schnell ging es in Sachsen-Anhalt.  Dort ist das „Grüne Band“, der ehemalige Grenzstreifen, zum nationalen Naturmonument ernannt worden. Zunächst war geplant, das Reiten auf bestimmte gekennzeichnete Wege zu beschränken. Dies hätte für Reiter bedeutet, dass ein freies Queren der ehemaligen Grenze (erneut) unmöglich gemacht worden wäre. Dank des sofortigen Widerspruchs der VFD wurde das Reiten auf allen Wegen erlaubt, soweit diese nach Breite und Oberflächenbeschaffenheit zum Reiten geeignet sind, ohne dass Störungen anderer oder nachhaltige Schäden zu befürchten sind. Wenn ein Gesetz geändert ist, muss es selbstverständlich auch umgesetzt werden. Die VFD informiert alle Reiter, nicht nur die Mitglieder, über ihre neuen Freiheiten. Beauftragte für Reitregelungen in den Kreisen nehmen Kontakt zu den Behörden auf und setzen sich für eine tatsächliche Liberalisierung vor Ort ein. VFDler vor Ort helfen mit, ungültige Reitverbots-Schilder abzubauen. Und wenn die Behörden partout an einer alten, nunmehr rechtswidrigen Regelung festhalten wollen, schreckt die VFD auch vor Rechtsmitteln nicht zurück. 

Ein Beispiel aus NRW: Hier haben nach der Gesetzesänderung mehrere UNB versucht, ihre alten „bewährten“ Reitregelungen weiter aufrecht zu erhalten. In vielen Wäldern wurde das Reiten wie bisher auf öffentliche Wege und Reitwege beschränkt. Die Behörden haben dabei aber nicht beachtet, dass eine solche Einschränkung des Betretungsrechtes nur noch unter einer bestimmten Voraussetzung möglich ist: Die Waldflächen müssen in besonderem Maße für Erholungszwecke genutzt werden. In mehreren Fällen haben Gerichte inzwischen bestätigt, dass diese Voraussetzung nicht vorliegt, sodass die Einschränkungen aufgehoben worden sind.

Bund: Wir machen Lobby-Arbeit

Auf Bundesebene setzt die VFD sich für eine Vereinheitlichung des allgemeinen Betretungsrechtes – nicht nur des Reitrechts – in ganz Deutschland ein. Dazu nutzt sie unter anderem die Mitgliedschaft im Kuratorium Sport & Natur sowie im Deutschen Naturschutzring. Einigen Bundestagsabgeordneten können unsere Anliegen persönlich im „Parlamentskreis Pferd“ vorgelegt werden. Unsere Umweltbeauftragte nutzt ihre vielfältigen Kontakte zu Bundesbehörden und anderen Naturnutzer-Vereinen immer auch für Fragen des Betretungsrechts. Zudem steht die VFD in den Verbände-Verteilern mehrerer Bundesministerien und wird dadurch bei Gesetzesänderungen informiert und beteiligt.

Praxistipps in Sachen Reitrecht Wie können VFDler vor Ort bei Reitverboten helfen?

Wir sind informiert: Auf unseren Stammtischen und Lehrgängen informieren wir über die Rechte der Reiter, Fahrer und Säumer. Jeder VFD-geprüfte Geländereiter oder -fahrer kennt das Reitrecht in seiner Region. Falls Reitverbote drohen, werden diese häufig in den Amtsblättern als sogenannte „Allgemeinverfügung“ veröffentlicht. Manchmal sind drohende Reitverbote auch in neuen Landschaftsplänen enthalten, denn bei Ausweisung von Naturschutzgebieten können Einschränkungen für das Reiten verordnet werden. Auch in Tagesordnungen von Stadtrats- oder Kreistagssitzungen können Regelungen versteckt sein, die das Reiten verbieten. Daher verfolgen Beauftragte und Vorständler der VFD-Unterverbände das Geschehen vor Ort.  Neben den Tageszeitungen lesen sie die öffentlichen Bekanntmachungen und Amtsblätter der Kommunen, die in der Regel per Mail versendet oder im Internet veröffentlicht werden. 

Wir werden beteiligt: Beauftragte oder Vorständler der VFD-Unterverbände sind im ständigen Kontakt mit den zuständigen Behörden. Im Idealfall werden sie bei drohenden Einschränkungen aktiv beteiligt. Dazu ist es sinnvoll, sich auf die E-Mail-Verteiler der Behörden setzen zu lassen.

Wir beziehen Stellung: In offiziellen Anhörungsverfahren nimmt die VFD Stellung zu bevorstehenden Entscheidungen der Behörden. Hierbei können Beauftragte oder Vorständler der VFD-Unterverbände auch beratend tätig werden. Oft kenne sich die Behörden weder mit den Bedürfnissen der Reiter noch mit den tatsächlichen Folgen von Wegenutzung durch Pferde aus, sodass unsinnige oder unnötige Reitregelungen getroffen werden.

Eine sehr gute Argumentationshilfe steht uns dafür mit der Broschüre Pferd & Umwelt zur Verfügung.

Wir setzen unsere Rechte durch: Falls trotz Beteiligung und Beratung dennoch Reitverbote aufgestellt werden, bleibt manchmal nur der Rechtsweg übrig. In einigen Ländern gibt es dafür die Möglichkeit eines Widerspruchsverfahrens, in anderen muss direkt eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden. Viele Reitervertreter scheuen diesen Weg, da er das langjährige gute Verhältnis zu den Behörden verschlechtern könnte. Doch die Gewaltenteilung ist eine der großen Errungenschaften unseres Rechtsstaates: Politiker machen Gesetze, Behörden sollen sie korrekt umsetzen und Gericht kontrollieren, ob diese Umsetzung rechtmäßig erfolgt. Die großen Umweltverbände haben uns vorgemacht, dass erst die Kontrolle durch Gerichte einige Naturschutzbehörden dazu bringt, die Gesetze richtig anzuwenden. In NRW bemerken wir auch beim Reitrecht erst Erfolge in dieser Richtung, nachdem drei Gerichte in unserem Sinne geurteilt haben.

Die gesetzlichen Grundlagen

Grundgesetz: Neben Artikel 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) ist mit Blick aufs Reitrecht vor allem Artikel 14 des Grundgesetzes wichtig. Dabei denken viele zunächst an Absatz 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Denn wenn wir uns mit dem Pferd im Wald aufhalten, dient das natürlich unserer Erholung und damit unser aller Wohl. Wichtiger ist meiner Meinung nach allerdings Absatz 1: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.“ Der zweite Satz ist die Grundlage dafür, dass uns das Reiten durch Gesetze ermöglicht werden kann. Auch wenn der Waldeigentümer lieber niemanden auf sein Grundstück lassen möchte, kann sein Eigentumsrecht durch Reitgesetzgebung eingeschränkt werden. Bundeswaldgesetz: In § 14 wird das Reiten im Walde auf Straßen und Wegen zum Zwecke der Erholung gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr, dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren. Dadurch wird ein oft genutztes Argument der Waldeigentümer entkräftet, nämlich dass sie aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht keine Reiter im Wald haben möchten. Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund einschränken. Damit ist Reitrecht Ländersache – und leider in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. Landesgesetze: Im VFDnet unter „Reitrecht“ sind alle aktuellen Reitregelungen zu finden. Straßenverkehrsordnung: Reiten, Säumen und Kutschefahren ist umwelt- und klimafreundliche Mobilität, und das bereits seit Jahrhunderten, lange vor Einführung der Straßenverkehrsordnung (StVO). Wer reitet oder Pferde führt, unterliegt daher sinngemäß den für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen. Kutschen sind Fahrzeuge im Sinne der StVO. Grundsätzlich darf in Deutschland jeder öffentliche Weg beritten werden. Ob ein Weg öffentlich ist, kann in der Landschaft, aber auch auf Landkarten leider nur selten sicher erkannt werden. Selbst die Behörden tun sich mit entsprechenden Auskünften sehr schwer. Auch gut zu wissen: Jeder Verkehrsteilnehmer muss beim Überholen von Pferden einen ausreichenden Seitenabstand einhalten. Nach ständiger Rechtsprechung beträgt dieser 1,50 bis zwei Meter.

Artikel als Download Freie_Wegewahl_2020-1.pdf205.02 kB

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